: In der Welt sein
KULTURAUSTAUSCH Kann das Goethe-Institut, inzwischen 60 Jahre alt, die Chancen der Globalisierung nutzen?
■ Geschichte: 1951 wurde der Goethe-Institut e. V. in München gegründet, in der bayerischen Landeshauptstadt liegt bis heute die Zentrale des Goethe-Instituts. 1952 wurde in Athen das erste Goethe-Institut im Ausland eingeweiht. Aktuell gibt es 13 Institute in Deutschland, 136 Institute im Ausland und insgesamt 947 Anlaufstellen in 128 Ländern. Das Goethe-Institut hat insgesamt etwa 3.000 Mitarbeiter weltweit.
■ Aufgaben: Das Goethe-Institut soll die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland fördern, die internationale kulturelle Zusammenarbeit pflegen und ein umfassendes, aktuelles Deutschlandbild vermitteln. Das Goethe-Institut arbeitet dabei eigenständig, aber, geregelt durch einen Rahmenvertrag, eng mit dem deutschen Außenministerium zusammen.
■ Geld: Der Haushalt des Goethe-Instituts umfasst aktuell etwa 290 Millionen Euro, er wird zu etwa zwei Dritteln aus dem Budget des Außenministeriums finanziert. Den Rest erwirtschaftet es selbst, vor allem durch Sprachkurse.
VON DIRK KNIPPHALS
Was das Goethe-Institut ist, lässt sich einerseits recht leicht sagen. Es vertritt Deutschland kulturell im Ausland. Auf der ganzen Welt kann man in seinen Niederlassungen Deutsch lernen. Es verschickt deutsche Künstler rund um den Erdball. Es holt im Gegenzug Künstler von überallher nach Deutschland. Außerdem ist es, mal so gesehen, der deutsche Facebook-Auftritt innerhalb der institutionalisierten weltweiten Verflechtungen: unser Netzwerk für internationale Beziehungen, die nicht im Politischen oder im Wirtschaftlichen aufgehen. Und ein Luxus, den sich unsere Gesellschaft leistet (das aber aus guten Gründen), ist das Goethe-Institut auch.
Aber andererseits ist das Goethe-Institut in alldem noch nie aufgegangen. Es gibt da schwer fassbare Obertöne. Das Goethe-Institut ist zum Beispiel auch eine Institution, die Fantasien weckt, nicht zuletzt die, dass man mit Kultur die Konflikte dieser Welt lösen könnte. Und es ist ein Sehnsuchtsort – das Versprechen nach Welt, nach Horizonterweiterung, nach Begegnungen. Zugleich ist es aber auch eine urdeutsche Behörde mit festgelegten Hierarchien und der Tarifordnung des öffentlichen Dienstes. Diese Spannung zwischen weltweiter Wunschmaschine und engem institutionellem Rahmen auszuhalten ist offenbar nicht immer leicht; das stellt sich jedenfalls oft heraus, wenn man mit Goethe-Mitarbeitern spricht.
Sobald Jubiläen anstehen, wird auch klar, dass das Goethe-Institut zudem ein getreuer Seismograf dafür ist, wie Deutschland in der Welt steht. Da hat sich zuletzt eine Menge geändert.
Als das Institut vor zehn Jahren fünfzig wurde, ein Dutzend Jahre nach dem Mauerfall und kurz vor den Anschlägen auf das World Trade Center, konnte man seine Geschichte noch parallel zur Geschichte der Bundesrepublik erzählen. Wie es nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal darum ging, wieder Anschluss an die Kulturnationen zu finden. Wie dann seit den sechziger Jahren ein bewusst selbstkritisches Deutschlandbild in die Welt getragen wurde. Wie es sich durchsetzte, und zwar sowohl gegen die konservativen Intellektuellenanfeindungen und Folklorisierungsversuche innerhalb der BRD als auch gegen die propagandistischen Buntheiten der Selbstdarstellungen der DDR.
Überall Gucci-Taschen
So lassen sich die ersten fünfzig Jahre geradezu als Bildungsroman erzählen: als Geschichte, die davon handelt, wie man die Fundamentalliberalisierung der deutschen Gesellschaft begleitet und, indem man Außenperspektiven herstellte, auch immer wieder befördert hat. Das ist nicht nur für das Verständnis des Goethe-Instituts wichtig, sondern auch für das Verständnis der Bundesrepublik. Grass, Enzensberger, Adorno, Pina Bausch – in der Konsequenz, in der ihre kulturelle Elite über die Goethe-Institute in die Welt ausschwärmte, kann man gut das bundesrepublikanische Bedürfnis erfassen, sich immer wieder selbst zu entkommen.
Doch seitdem ist eben viel passiert. Wer sich nun zum 60. Geburtstag Gedanken über das Goethe-Institut macht, tut gut daran, nicht allein die Reflexion eines deutschen Selbstverständnisses zum Rahmen zu nehmen, sondern – selbst wenn sich das halb größenwahnsinnig anhört – die Welt. Wenn nämlich zuletzt etwas klar geworden ist, dann dass die Rede von der McDonaldisierung der Welt zu flach und über weite Strecken auch schlicht falsch ist.
Zwar gibt es sicherlich eine Tendenz zur Angleichung der Welt, aber vor allem in den globalen Transitzonen, in den Flughäfen und Hotelfoyers, in denen man tatsächlich überall auf die immer gleichen Gucci-Taschen stößt. Sobald man sich jedoch konkreter auf das jeweilige Land einlässt, stößt man auf ein dichtes Geflecht von Verschiedenheiten. Spätestens seit dem Ende der bipolaren Weltordnung des Ost-West-Konflikts und seitdem Länder wie China und Indien, aber auch Brasilien, Mexiko, Ägypten zu „globalen Playern“ werden (wie das in Außenministeriumskreisen heißt), ist die Welt immer komplexer geworden.
Globalisierung halt. Ihre Risiken sind bekannt. Ihre Chancen bestehen darin, dass man zwischen Gesellschaften längst nicht mehr nur offizielle und symbolische Beziehungen pflegen kann, sondern ganz konkrete; wenn es gut läuft, reichen sie auch über wirtschaftliche und touristische Beziehungen hinaus und bis in die jeweiligen Zivilgesellschaften hinein. Für das Goethe-Institut hat das direkte Auswirkungen. Denn es gibt keine Generalrezepte mehr. Der kulturelle Austausch mit China funktioniert anders als der mit afrikanischen Ländern, der wiederum ganz anders als mit ehemaligen Sowjetstaaten, und der Austausch mit arabischen Staaten ist noch einmal eine Sache für sich.
Auf diese Steigerung an Komplexität hat das Goethe-Institut in den vergangenen zehn Jahren mit institutionellen Veränderungen reagiert. Es hat Entscheidungsbefugnisse von der Zentrale auf die Ebenen der einzelnen Regionen verlagert, die nun selbstständiger agieren können. Klaus-Dieter Lehmann, der aktuelle Präsident des Goethe-Instituts, ist ein großer Verfechter dieses Netzwerkgedankens.
Ein hoher Anspruch. In der konkreten Umsetzung hängt dann natürlich viel von der Stärke der einzelnen Regionalleiter ab. Die institutionellen Herausforderungen eines solchen Netzwerkes sind immens – der interne Kommunikationsbedarf ist längst so hoch, dass die Goethe-eigenen Server gern mal abstürzen. Manchmal scheitert der Kulturaustausch eben noch nicht einmal an Zensoren und repressiven Regimen, sondern eher an solchen internen Überlastungsproblemen.
Überhaupt, Kulturaustausch. Auch dieser Begriff ist längst viel zu grob, um damit die aktuelle Arbeit des Goethe-Instituts noch fassen zu können. In einer tatsächlich globalisierten Welt treffen ja keine fest gefügten Kulturen aufeinander, sondern konkrete Menschen, und die gehen jeweils noch nicht einmal in ihrer angeblich eigenen Kultur auf: Jedes Individuum seine eigene Mischung aus Traditionen und Einflüssen. Und einheitliche Kulturen sind sowieso Fiktionen.
Für die Mitarbeiter des Goethe-Institutes kann das zu Verschiebungen des Selbstverständnisses führen. Es kann ja in der aktuellen Lage nicht mehr rein darum gehen, fremde Kulturen zu verstehen, Interesse für sie zu wecken und sie gegenüber einer westlichen Hegemonie zu verteidigen. Vielmehr gilt es, in den angeblich fest gefügten Kulturen Lücken zu finden, Öffnungen und Spielräume auszuloten – und damit die Möglichkeiten eines konkreten Austauschs zu schaffen, der über diplomatische Floskeln und temporäre Kulturevents hinausgeht. In Reden wird dazu gern der Begriff des Brückenschlagens verwendet. In der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts hat das – etwa im Verhältnis zu China – eher den Anschein einer Beziehungstherapie mit ihren ständigen Aufs und Abs.
Langfristige Arbeit
Mit alldem steigt die Notwendigkeit einer kulturellen Vermittlung. Übrigens auch innerhalb Deutschlands. Denn weltweit mögen die Herausforderungen nicht weniger werden, aber auch hierzulande lauern Hindernisse, nicht mehr in Gestalt von Deutschtümelei, aber in Business-Vereinnahmungen. Die vielschichtige internationale Beziehungsarbeit muss immer wieder verteidigt werden gegen Bestrebungen, kulturelle Rahmenprogramme nur als hübsche Begleitung der wirtschaftlichen Globalisierung zu verstehen; manches, was derzeit unter dem Begriff des „Deutschlandjahres“ firmiert, sieht schon verdammt danach aus. Bislang hat aber das Goethe-Institut mit seinem Konzept eines langfristigen Austauschs immer noch dagegen anarbeiten können.
Am kommenden Dienstag wird der 60. Geburtstag erst einmal groß gefeiert werden in der Berliner Gemäldegalerie, einem schönen Ort. Das Programm reicht von einer Festansprache des FDP-Außenministers Guido Westerwelle über einen hochkulturellen musikalischen Beitrag des Ensembles Modern bis hin zu einem Oper-Air-Konzert des Berliner Singer/Songwriters und Szeneschluffis Jens Friebe. Auch eine Art Clash der Kulturen. Mal sehen, inwiefern es zum Austausch kommen wird.