: Intelligenz soll Bremen retten
Während die rot-grünen Koalitionäre in Hinterzimmern verhandeln, findet im Rathaus eine Tagung statt, auf der ein Unternehmensberater die „kollektive Intelligenz“ im Interesse Bremens vernetzt
von Klaus Wolschner
Die Obere Rathaushalle hat sich gestern in einen großen Partyraum verwandelt: Auf jedem der runden Tische – an denen sonst beispielsweise die Männer des Schaffermahls tafeln – wurden vier Laptops aufgestellt, mehr als einhundert im ganzen Saal. Abends kamen rund 170 Unternehmer, Präsidenten, Top-Manager – eben die Macher Bremens – zusammen, dazu auch ein paar Frauen und einfache Leute. Ziel des Abends: Die kollektive Intelligenz Bremens soll eine Zukunftsperspektive für die Stadt entwickeln.
Urheber der Idee ist der Unternehmensberater Peter Kruse von der Firma „Nextpractice“. Er hat der Stadt sein Beratungsangebot „geschenkt“. Wo liegen die Schwächen, wo die Stärken, was ist Vergangenheit – und was wäre Zukunft? Darüber wurden vorweg 350 Interviews geführt. Jetzt soll im Rathaus die Zukunft des Stadtstaates gedacht werden. Die TeilnehmerInnen sind dabei über die Laptops vernetzt, ein guter Gedanke eines Chefs ist hernach von dem eines Hausmeisters nicht mehr zu unterscheiden – alle arbeiten simultan an einer Zukunftsperspektive. Parallel dazu diskutieren die UnterhändlerInnen einer rot-grünen Koalition die ihre.
Deswegen haben die Leute von Nextpractice in einer zweiten Runde und auf Hinweis desSPD-Bürgermeisters Jens Böhrnsen auch VertreterInnen aus „Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ interviewt. Das Ergebnis: Bei den „Managern, Politikern und Privatpersonen“ bestand ein deutlicher Konsens darin, dass Bremen eine lebenswerte Stadt sei. Das Thema „soziale Spaltung“ kam nur dort zur Sprache, wo es um Zukunftssorgen ging.
Die „Herausforderung“ sieht Kruse darin, dass die Gruppe der Manager und Politiker die Lage der sozial Schwachen nicht wirklich wahrgenommen habe. Das aber wäre Voraussetzung für Veränderungen. „Aus der Perspektive der sozialen Brennpunkte ist die Zweiklassengesellschaft in Bremen bereits voll entwickelt“, sagt Kruse. „Die Schere hat sich weit geöffnet und die für Bremen typische Integrationskraft wird von den Interviewpartnern klar in Frage gestellt.“ Die Betonung des „angenehmen Lebensraumes“ habe für die 50 nachträglich Befragten aus den Brennpunkten „nahezu einen zynischen Beigeschmack“, sagt Kruse.
Insgesamt haben sich knapp die Hälfte der Befragten eher skeptisch über die Zukunftsaussichten geäußert, ein Drittel dagegen gehört eher zu der Gruppe, denen es privat so gut geht, dass sie problematische Punkte weniger wichtig finden. Der große Anteil der Resignierten jedoch, sagt Kruse, ist weniger problematisch als der hohe Anteil der Selbstzufriedenen.
Während unter den zunächst befragten 300 Managern das vorrangige Problem war, wie Bremen ein „attraktiver Leistungsraum“ werden kann, ist durch die Brennpunkt-Befragung die Erkenntnis hinzugekommen, dass für einen Teil der Gesellschaft das Ziel „attraktiver Lebensraum“ in Bremen keineswegs Realität ist.
Beides gilt als erstrebenswert. „Was bringt uns dahin?“ ist denn auch die Fragestellung für die Netzwerk-Party. „Wenn hochintelligente Menschen in Netzwerken zusammenarbeiten, sollte auch etwas herauskommen“, formulierte Kruse seine Hoffnung – bescheiden und unkonkret.