piwik no script img

Archiv-Artikel

Bildungspolitik: Sehnsucht nach Rot-Rot-Grün

ANHÖRUNG ExpertInnen: Bund und Länder sollen in der Bildung mehr kooperieren. Die Union mauert

BERLIN taz | Gäbe es doch auch im Bund Thüringer Verhältnisse! Der unausgesprochene Wunsch von SPD-Abgeordneten nach einer Koalition mit Linken und Grünen, wie derzeit in Thüringen geplant, war am Montag im Bildungsausschuss des Bundestages mit den Händen zu greifen.

Einziger Tagesordnungspunkt im Ausschuss war die Verfassungsänderung, über die der Bundestag im Dezember abstimmen soll. Bund und Länder dürfen künftig gemeinsam Forschung und Lehre an Hochschulen finanzieren, so der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung. Bis dato ist es dem Bund untersagt, sich in das Länderrefugium Bildung einzumischen. Der Opposition geht die geplante Bund-Länder-Zusammenarbeit nicht weit genug; Grüne und Linke fordern, eine Kooperation zwischen den beiden föderalen Ebenen auch im schulischen Bereich zu ermöglichen. Das wollte einst auch die SPD – bis sie sich erneut an die Union kettete. „Wähler und Machtverhältnisse haben entschieden“, stellte der bildungspolitische Sprecher der SPD, Ernst-Dieter Rossmann, im Ausschuss resigniert fest.

Das hinderte die Genossen aber nicht daran, genau jene ExpertInnen einzuladen oder zu befragen, die der Opposition Argumente lieferten. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe, kritisierte, dass eine Qualitätsoffensive für Kitas und die Inklusion behinderter Kinder in den Unterricht auf der Strecke blieben.

Eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern ausschließlich im Hochschulbereich – „das ist eine Politik, die die oberen Etagen stärkt und das Fundament außen vor lässt“, sagte auch der Bildungsforscher Klaus Klemm. „Architekten machen es umgekehrt.“

Wie die anderen zehn geladenen Experten war Klemm aber der Ansicht, dass die geplante Verfassungsänderung ein Schritt in die richtige Richtung sei. Der Staatsrechtler Wolfgang Löwer, der den Vorschlag mit ausformuliert hatte, bestätigte, dass künftig alle Hochschulen und Fächer auf Bundesgeld hoffen könnten. Laut Gesetzesvorschlag müssen jedoch alle Bundesländer zustimmen und das Vorhaben zudem von überregionaler Bedeutung sein. „Überregional“, beruhigte Löwer „da fällt uns doch immer was ein.“

ANNA LEHMANN