Verharmlosende Sichtweise

Betr.: „Mieter gegen Yuppie-Zustrom“/„Der Lauf der Welt“, taz hamburg vom 24. 5. 2007

„Gentrifizierung. […] Das Wort beschreibt den Lauf der Welt.“ So beginnt Ihr Autor einen Kommentar zu den Entwicklungen, die sich gerade in den Hamburger „Szenevierteln“ abspielen. Mit dieser Beschreibung stellt er die Gentrifizierung dar, als wäre sie ein Prozess, der vom Himmel fällt, und fordert den Senat auf „steuernd einzugreifen“. Diese Sichtweise ist naiv und verharmlost die Entwicklung: Benachteiligte Bevölkerungsgruppen – insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen – werden aus „ihren“ Stadtteilen in weniger attraktive vertrieben und dabei aus ihrem sozialen Umfeld gerissen.

Dieser Prozess wird vom Senat forciert, indem dem Unternehmensstandort oberste Priorität eingeräumt wird. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga baut fast keine Sozialwohnungen mehr, stattdessen lässt sie Altbauten abreißen und errichtet frei finanzierte Wohnungskomplexe mit Quadratmeterpreisen von 10 Euro und mehr. Wer all das als Lauf der Welt bezeichnet, verbrämt einen von interessengeleiteten Akteuren forcierten Prozess als vermeintliches Naturgesetz.

Schließlich stigmatisiert der Kommentar genau jene benachteiligten Bevölkerungsgruppen mit der Bewertung, dass die Vorteile der Gentrifizierung auf der Hand lägen, wenn sich unter die arme Bevölkerung Menschen „mit sozialer und politischer Kompetenz“ mischen würden. Die GeringverdienerInnen sind also sozial und politisch beschränkt? Eine fragwürdige Analyse. STEFFEN JÖRG