: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“GewaltpotenzialNie wieder Berlin
betr.: „Nie wieder Rostock“
Polemischer kann man die Stadt Rostock gar nicht darstellen. Das Bild mutet an wie nach einem Krieg. Dabei ist nicht zu sehen, dass die Ausschreitungen erstens auf einem sehr beschränkten Areal der Innenstadt stattgefunden haben, zweitens wird damit erneut das Image von Rostock-Lichtenhagen in die Köpfe der Menschen gerückt.
Ihr Titelbild mit diesem Slogan ist ganz und gar misslungen und unter der Würde der Einwohner. Wie wäre es denn da zum Beispiel zu gegebenem Zeitpunkt mit „Nie wieder Berlin!“ angesichts der Krawalle, die alljährlich am 1. Mai in den Berliner Straßen wüten? Nur, wir sind hier Touristenmagnet, die Region ist angewiesen auf Urlauber. Wer kommt in eine Stadt, in eine Region, die aufgrund einer solchen Meinungsmache scheinbar gewaltbereit und aggressiv daherkommt. Und wo wird hernach zu lesen sein, dass die Autonomen Selbstkritik üben und sich ein Sprecher des autonomen Blocks für die Eskalationen entschuldigt (OZ, 4. 6. 07: „Die Eskalation hat so niemand gewollt“? A. FLADE, Rostock
Westimport
betr.: „Nie wieder Rostock“
Was soll denn diese Schlagzeile? Als ob Rostock diese „Autonomen“ hervorgebracht hätte! Dabei sind sie doch aus dem Westen angereist, genauso wie das braune Gesocks im August 1992 zu den ausländerfeindlichen Exzessen in Rostock-Lichtenhagen.
Übrigens, in mehreren Artikeln schreibt ihr von der „Randlage Rostocks“ – dabei ist Rostock gerade mal zweieinhalb Stunden von der Bundeshauptstadt entfernt, auf halber Strecke zwischen Berlin und Kopenhagen. Das ist schon bemerkenswert, wie euer Koordinatensystem 17 Jahre seit der Wende gepeilt ist.
FRANK ROGER, Berlin
Polizeistrategien
betr.: „Nie wieder Rostock“
Ein Polizeisprecher hat eingeräumt, dass die angegebenen Zahlen der bei der Rostocker Demonstration schwerverletzten Polizisten von 31 bis 40 auf eine Außerkraftsetzung der Kriterien für diese medizinische Einordnung zurückgehen und sich am Dienstag nur noch ein Polizist in stationärer Behandlung befand, dass sich außerdem die Anzahl der angezündeten Autos auf drei beläuft, der Sachschaden also mitnichten einen historischen Rekord bedeutet. Damit erhärtet sich der alarmierende Verdacht, dass die Republik in einen ähnlichen Pseudonotstand wie die USA seit dem 11. 9. 2001 hineinhysterisiert werden soll.
Und die obige Nachricht ist nicht die einzige eklatante Enthüllung dieser Tage. Am 5. 6. 07 hat ein Polizeisprecher in einem Interview der Ostsee-Zeitung auf die Frage, ob es nicht verwundern müsse, dass die Polizei tatenlos zugesehen habe, wie Demonstranten Gehwegplatten in kleine, werfbare Stücke zerschlugen, ganz offenherzig geantwortet, darüber könne sich nur wundern, wer noch keinen Kurs über polizeiliche Strategien belegt habe(!). UWE BRAUNER zzt. Reddelich
Robocops
betr.: „Nie wieder Rostock“
die eigentlichen neuigkeiten des 2. juni 2007 habt ihr verpasst: nachdem die steinewerferInnen mit ihren schwarzen kapuzenpullis weg waren, wollten die polizistInnen unbedingt in die demo rein. sie haben es aber nicht geschafft, weil es viele, viele demonstrantInnen gab, die friedlich, couragiert und standhaft waren. die sich mit schlotternden knien untergehakt haben und stehenblieben, als schwarzvermummte robocops auf sie zurannten. die mit zitternder stimme gerufen haben: „wir sind friedlich, was seid ihr?“
ich hab es an dem tag oft erlebt, dass sich die polizei zu weit in die demo vorgewagt hat und plötzlich abgeschnitten war. wir sind mit erhobenen händen auf sie zugegangen und haben auf sie eingeredet, dass sie sich zurückziehen sollen, das haben sie gemacht, aber erst nach mindestens ’ner viertelstunde macho-posen. wenn sie dann abgezogen sind, ist großer beifall aufgebrandet. bei irie révoltés sind dann die ganzen menschenketten gesprungen und haben getanzt und so die polizei schritt für schritt rausgedrängt.
und glaubt bloß nicht, dass diese „verhandlungslösung“ einfach war! die polizei hat geschubst, getreten, geknüppelt, pfefferspray eingesetzt und demonstrantInnen mit der faust auf die nase gehauen. wisst ihr, wie schwierig es ist, in dem moment besonnen zu bleiben? DANIEL WERNER, Chemnitz
Der Aggressor
betr.: „Vom Umgang mit Hooligans“, taz vom 5. 6. 07
Was an Attac zu kritisieren ist: dass die Globalisierung (über den Begriff müsste man auch mal diskutieren) als Bedrohung von außen wahrgenommen wird – womit ausgeklammert wird, dass die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Politik des Lohn- und Steuerdumpings der europäische Aggressor der sogenannten Globalisierung ist.
WOLFGANG HÖRNER, Berlin
Wahn von 68
betr.: „Den Kapitalismus abschalten“, taz vom 5. 6. 07
Jedem vergrätzten Verfassungsschützer, der die taz immer noch für eine staatsgefährdende Zeitung hält, sei dieser Artikel von Alexander Cammann zur Lektüre empfohlen. Sehr schön, wie der Autor gegen den endlich überstandenen kollektiven Wahn von 1968 ff. ins Feld führt, was Carl Schmitt bereits wusste. Äußerst wohltuend auch, dass die wichtigen Schriften von Gerd Koenen oder Wolfgang Kraushaar, die manchem ignoranten Ewiggestrigen als zeitgeistige Delegitimierung jeder Form linken Denkens gelten, als das bezeichnet werden, was sie in Wahrheit sind: notwendige Trauerarbeit. Mit großer Freude habe ich schließlich noch gelesen, dass Ussama Bin Laden auf dem inhaltsleeren G-8-Protest wohl höhere Überlebenschancen als George Bush und Josef Ackermann gehabt hätte. Wir lernen: Terroristen bringen sich nicht gegenseitig um. Mehr dieser erhellenden Artikel wünscht sich RAMON BENITEZ Lappersorf
Getreide zerstört
betr.: „Illegal, aber richtig“, taz vom 7. 6. 07
Es ist ja gut und sinnvoll gegen den Hunger in der Welt und die Globalisierung zu demonstrieren. Doch was könnte regionaler sein als ein örtliches Getreidefeld?! Es ernährt uns, wenn wir statt globaler Produkte die heimischen vorziehen. Mich erschreckt, dass alle diesen angeblich zivilen Ungehorsam feiern. Es ist nicht nur mutwillige Zerstörung des Eigentums eines Bauern, sondern auch der Verlust von x Kilo Getreide – bei einer Demonstration gegen den Hunger in der Welt. Wie wenig achten diese Demontranten Lebensmittel, dass sie nicht einmal wissen, wo ihr Brot herkommt oder was die Schweine fressen, deren Fleisch verwurstet wird.
ALEXANDRA BEESE, Berlin
Das macht Spaß
betr.: „Schwarzer Block“
Erzähl mir doch keiner, dass die „Autonomen“ Steine schmeißen, weil sie sich über die Zustände in Afrika aufregen. Die schmeißen Steine, weil ihnen Steine schmeißen Spaß macht, weil es ihnen ein machogemäßes Gefühl der Macht gibt, besonders, wenn sie sich dabei unter ihren Kappen verstecken können. In diesem Sinne sind sie die Erben der RAF, weil sie mit ihrem rücksichtslosen Gewalteinsatz nur den Sicherheits- und Ordnungsfanatikern Wasser auf die Mühlen liefern. CHRISTIANE RATTINGER Offenburg
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