: Atomfabrik mit Altersschwächen
NUKLEARES Bei der Brennstabproduktion in Lingen versagt die Technik, neue Risse werden entdeckt – aber von einer Stilllegung will Niedersachsens Umweltminister nichts wissen
Nach zwei meldepflichtigen Störfällen ruht der Betrieb in der Atom-Brennelementefabrik Lingen teilweise. Das für die Atomaufsicht zuständige niedersächsische Umweltministerium habe bereits am 29. Oktober von einem Riss in einem Trocknungsofen erfahren, sagte eine Sprecherin von Minister Stefan Wenzel (Grüne) der taz. Ein weiterer Riss sei in einer Stahlbetonkonsole entdeckt worden, hieß es nach einem Besuch Wenzels in Lingen: „Als Ursache dafür wird ein Alterungseffekt angenommen.“
Die Brennelementefabrik ist Teil eines atomindustriellen Clusters, der sich über das südliche Emsland, den Norden Nordrhein-Westfalens und den Osten der Niederlande erstreckt. In Lingen wird radioaktives Material, das in der Urananreicherungsanlage Gronau (UAA) für den Einsatz in Atomkraftwerken tauglich gemacht wird, zu tabletten- oder stabförmigen Brennelementen verpresst. Trotz des angekündigten Atomausstiegs in Deutschland verfügen die Anlagen über unbefristete Betriebsgenehmigungen. Dabei ist völlig unklar, wo der anfallende Atommüll einst gelagert werden soll: Allein die UAA könnte rund 100.000 Tonnen radioaktive Abfälle produzieren.
Atomkraftgegner fordern deshalb seit Langem eine Stilllegung: „In Lingen und Gronau wird ständig neuer Atommüll produziert“, sagt Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). In Lingen bestehe außerdem ein offensichtliches Sicherheitsrisiko, mahnt Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis gegen Atomanlagen aus dem angrenzenden Münsterland mit Blick auf die jetzt entdeckten Risse: „Die Brennelementefabrik ist in wesentlichen Teilen altersschwach.“
Grünen-Minister Wenzel erteilte Stilllegungs-Forderungen trotzdem eine Absage: Die Atomfabrik sei dauerhaft genehmigt, auch wenn es wegen des deutschen Atomausstiegs „spätestens 2022 keinen inländischen Bedarf mehr für die Anlage“ gebe. Zudem weist sein Ministerium auf mögliche Schadenersatzklagen „aus Frankreich“ hin – hinter der Brennelementefabrik steht der französische Atomkonzern Areva. WYP