: Überklebte Straßenschilder
NSU Vertreter von antirassistischen Initiativen benennen den Ku’damm nach dem Nazi-Opfer Mehmet-Kubasik um
Normalerweise kann man hier hochpreisig einkaufen – und das hatten die meisten Leute sicher auch vor, als sie am Dienstag die Kreuzung Kurfürstendamm Ecke Joachimstaler Straße überquerten. Was viele wohl nicht wussten: Der 4. November ist der dritte Jahrestag nach Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Zum Gedenken an die Opfer der rassistischen Mordserie gab es bundesweit zehn symbolische Straßenumbenennungen.
Am Berliner Ku’damm fanden sich am frühen Abend Vertreter von drei antirassistischen Initiativen ein, die mit Megafon, Leiter und Papierschildern die Straße in „Mehmet-Kubasik-Damm“ umbenennen wollten. Mehmet Kubasik war das achte Todesopfer des NSU. „Wir werden nicht aufhören, ein würdiges Gedenken zu fordern, und verlangen Aufklärung der Verwicklung staatlicher Behörden“, so eine Sprecherin vom Bündnis gegen Rassismus.
Einige Passanten blieben stehen und fragten die Gruppe, was das für eine Aktion sei. „Wenn hier jeder einfach anfängt, Straßenschilder zu überkleben, dann findet die Post nicht mehr die Adressen“, sagte eine Passantin mit Einkaufstüten.
Doch die große Verwirrung bei der Postzustellung blieb aus, schon nach wenigen Minuten kamen drei Polizisten aus den Nebenstraßen und forderten die Gruppe auf, die Schilder zu entfernen. „Der Staat ist noch immer nicht bereit, Verantwortung zu tragen“, schimpfte eine Sprecherin. Ihre Forderungen beruhen darauf, dass die Aufklärung von Straftaten mit NSU-Bezug in Berlin zu wünschen übrig lässt. Eine Anfrage der Linkspartei hat ergeben: Seit November 2011 gab es 21 Straftaten politisch motivierter Kriminalität mit NSU-Bezug. Zu Taten in den Jahren 2013 und 2014 konnten keine Verdächtigen ermittelt werden.
Am Dienstag dagegen wurden die Tatverdächtigen sofort ermittelt. Nicht nur wurden die Schilder am Ku’damm „ordnungsgemäß“ wieder entfernt, auch wurden die Personalien der Verantwortlichen festgestellt. Und das, obwohl die Polizei auf Nachfrage nach einem Straftatbestand mit Kopfschütteln reagierte. Nach mehrmaliger Aufforderung und dem Anrücken von Verstärkung entschieden die Aktivisten, ihre Schilder abzunehmen. Das Foto von Mehmet Kubasik aber ließen sie hängen.
STEFANIE BAUMEISTER