: Es hat sich längst nicht ausgezockt
SPIELHALLEN Seit 2. Juni ist das Spielhallengesetz in Kraft. Dessen Wirksamkeit wird von der Wirtschaft bezweifelt. Auch SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky sieht es kritisch
HEINZ BUSCHKOWSKY (SPD)
Die neuen Regeln für das Glücksspiel sind klar. 500 Meter sollen nach dem im Mai im Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetz zwischen neu eröffneten Spielhallen liegen. Mindestens genauso weit müssen sie von Kinder- und Jugendeinrichtungen entfernt sein. Außerdem müssen sie zwischen 3 und 11 Uhr dichtmachen – bislang nur eine Stunde täglich. Zudem wurde die Vergnügungsteuer Anfang des Jahres von 11 auf 20 Prozent erhöht. Doch zum einen greift das von der rot-roten Koalition als großer Wurf gefeierte Gesetz erst ab 2016. Zum anderen gibt es nicht nur erwartbare Kritik von der Automatenwirtschaft, sondern auch aus den eigenen Reihen.
„Das wird hier auch in fünf Jahren nicht anders aussehen“, sagte Neuköllns SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky am Dienstag und meinte die in seinem Bezirk besonders betroffene Hermannstraße: Hier drängen sich nach Angaben der Automatenfirma Bally Wulff auf weniger als 3.000 Metern 34 Lokale mit Glücksspielangebot. Das heißt: Im Schnitt gibt es einen solchen Laden alle 90 Meter. „Die Straße sieht völlig bescheuert und verwahrlost aus“, so Buschkowsky in einem Gespräch mit Vertretern der Automatenwirtschaft.
Problem „Spielcafé“
Grund für die Spielhallenflut sind für ihn nicht die lizensierten Glücksspieleinrichtungen – von denen gebe es auf der Hermannstraße nur drei –, sondern die sogenannten Spielcafés. Das sind gastronomische Einrichtungen, die laut Gesetz bis zu drei Spielautomaten aufstellen dürfen. Eine Lizenz brauchen sie dafür nicht. Außerdem sind diese Kneipen oftmals durch Türen miteinander verbunden: Drei davon nebeneinander wirken nach außen wie eine zusammenhängenden Spielhalle mit neun Automaten. All diese Einrichtungen seien von dem Gesetz nicht betroffen.
Problematisch sind für Buschkowsky zudem die zahlreichen Sportwettbüros. Offiziell gibt es in ganz Berlin nur 28 Wettannahmestellen mit staatlicher Lizenz. Daneben aber würden 198 Wettbüros ohne Konzession existieren. „Diese sind schlichtweg illegal“, sagte von Tim Wittenbecher von der Automatenfirma Bally Wulff. Die Innenverwaltung des Senats bestätigte das auf Anfrage der taz.
Daniel Buchholz, Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und treibende Kraft hinter dem Spielhallengesetz, wies die Kritik seines Parteifreunds Buschkowsky zurück. Zugegebenermaßen gebe es für die jetzigen Betriebe Bestandsschutz bis 2016. „Doch ohne das Gesetz wäre die Flut an Anträgen für neue Spielhallen nicht zu stoppen gewesen“, sagte er der taz. Buschkowsky habe ja recht, wenn er auf illegale Spielhallen hinweise und ein Vollzugsdefizit bemängele – „aber dann muss er mal bei sich in Neukölln anfangen“.
Zudem sei die Lage in anderen Bezirken deutlich anders: Dort stünden die ganz legalen Spielhallen im Mittelpunkt, gegen die sich das Gesetz richtet, und nicht die von Buschkowsky hervorgehobenen illegalen. „Schon diese lizenzierten Spielhallen zerstören in ihrer Massivität Kieze und Menschen“, so Buchholz. Allein ihre Zahl sei im vergangenen Jahr von 393 auf 523 angestiegen.
Wer allerdings 2016, wenn der Bestandsschutz ausläuft, von zwei benachbarten und weniger als 500 Meter auseinanderliegenden Spielhallen dichtmachen muss, sei noch offen: „Das werden wir uns in den nächsten fünf Jahren gut überlegen.“
WERNER KRAUSE, STEFAN ALBERTI