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Archiv-Artikel

Rückkehr an den Grindel

Die Jüdische Gemeinde kehrte gestern an ihren angestammten Platz zurück. Mit einem Fest im Hof der Talmud-Tora-Schule feierte sie die neuen Räume der Gemeindeverwaltung am Grindel

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Gestern Nachmittag liefen Eltern mit ihren Kindern in Sommerkleidern durch den Hof der Talmud-Tora Schule am Grindelhof. Die jüdische Organisation norddeutscher Studenten, Weinimporteure aus Israel und ein russischen Künstler hatten in dem Hof ihre Stände aufgebaut. Kleine Mädchen kauften mit Muscheln beklebte Spiegel während drei Musiker Klezmermusik spielten.

Ein Sommerfest wie andere auch, hätte man denken können. Wäre es nicht der Tag, an dem die Jüdische Gemeinde Hamburgs offiziell ihr neues Gemeindehaus bezieht. 65 Jahre nachdem die Nationalsozialisten die 1911 eingeweihte Talmud-Tora-Schule geschlossen und zahlreiche ihrer SchülerInnen und LehrerInnen deportiert und ermordet haben.

Die Hamburger jüdische Gemeinde werde es so nie wieder geben, hatte Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay in seinem Grußwort geschrieben. Aber er hoffe, dass hier „eine der vielen Hamburger Wurzeln jüdischen Lebens wieder zum Keimen“ gebracht werde. Yissakar Ben-Yaacov, ein ehemaliger Schüler, gedachte der KlassenkameradInnen, denen es damals nicht gelang, sich rechtzeitig vor den Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Und er erinnert an die kürzlich verstorbene Sonderschullehrerin Ursula Randt, die sich der Erforschung und der Erinnerung des jüdischen Schulwesens in Hamburg gewidmet hatte.

Ab August soll die wiedergegründete Joseph-Carlebach-Schule ihren Betrieb in dem für drei Millionen Euro renovierten Haus aufnehmen, das zugleich die Tora-Talmud-Schule, einen Hort und die Gemeindeverwaltung beherbergt. Die Stadt hatte das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg von der Jewish Claims Conference gekauft, 2004 gab sie es an die jüdische Gemeinde zurück.

Die wächst in den letzten Jahren vor allem aufgrund des Zuzugs russischer Aussiedler. „Es ist Hamburgs Rückkehr zu der Weltläufigkeit, die dazu führt, dass Juden sich wieder hier niederlassen“, sagte der Gemeindevorsitzende Andreas Wankum. Er warb bei den Nachbarn um Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Gemeindegebäude. „Erst wenn sie nicht mehr nötig sind, werden wir von Normalität sprechen können“. Wankum begrüßte den neuen, erweiterten Staatsvertrag, den die Gemeinde mit dem Senat habe aushandeln könne und der eine solidere finanzielle Zukunft garantiere.

Für die erste Klasse der JosephCarlebach-Schule, die als Ganztagsschule arbeiten wird und auch nicht-jüdische Kinder aufnimmt, sind noch Anmeldungen möglich. Da die rund 5.000 Gemeindemitglieder über die gesamte Stadt verstreut leben, ist ein Beginn mit mehr als einem Klassenzug äußerst unwahrscheinlich.

Dass die Gemeinde stark russisch geprägt ist, zeigte sich beim Rundgang durchs Haus. Die Beschilderung hatte man zweisprachig ausgehängt und in der Bibliothek finden sich zu 95 Prozent russischsprachige Bücher. Von dem neuen Zentrum erhofft sich die Gemeinde auch einen neue religiöse Impulse und mehr Gottesdienstbesucher.

Die Einweihung nahm man zudem als Anlass, erstmals die Herbert-Wichmann-Medaille zu vergeben, die jüdische und nichtjüdische Menschen ehren soll, die sich um das jüdische Leben in Deutschland verdient gemacht haben. Erste Preisträger waren der Mäzen Hermann-Hinrich Reemtsma und posthum Paul Spiegel, der 2006 verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden.