: Spitzelei wird öffentlich – mit Namen und Adresse
ÜBERWACHUNG Eine LKA-Beamtin hat jahrelang die linke Szene infiltriert. Die schlägt zurück
STELLUNGNAHME RECHERCHEGRUPPE
HAMBURG taz | Nun ist die Hamburger linke Szene sicher: Die LKA-Beamtin Iris Plate hat sie sechs Jahre lang ausspioniert. Von 2000 bis 2006 war sie unter dem Decknamen „Iris Schneider“ in verschiedenen linken Zentren und Politgruppen Hamburgs aktiv, unter anderem in der Roten Flora, dem Radiosender Freies Sender Kombinat (FSK) und der Organisation des queerfeministischen „Ladyfests“. Darüber hinaus pflegte sie enge Freundschaften in der Szene und führte sogar Liebesbeziehungen.
Enttarnt worden war die LKA-Beamtin, als sie 2013 im Rahmen eines Beratungsangebots zu Extremismus unter ihrer eigentlichen Identität auftrat. Sie war dort als Beamtin der Abteilung „Prävention islamischer Extremismus“ eingeladen. Einer der Mitarbeiter der Einrichtung erkannte sie aus früheren Politkontexten als „Iris Schneider“.
Eine Recherchegruppe hat nun die Geschehnisse aufgearbeitet und eine umfassende Stellungnahme veröffentlicht. Darin wird neben Plates Klarnamen auch ihre private Adresse genannt. Zur Begründung heißt es, wer diesen Job mache, habe seinen eigenen Anspruch auf Anonymität und den Schutz seiner Privatsphäre verloren. „Sie hat uns belogen und betrogen“, heißt es, „intimste Einblicke in unsere Leben und unsere Befindlichkeiten gewonnen und uns in Stasimanier bis ins Privateste hinein überwacht.“
Brisant ist jedoch vor allem die Infiltrierung des linken Radiosenders FSK. Von 2003 bis 2005 hatte Schneider dort in zwei Redaktionen mitgearbeitet, an wöchentlichen Redaktionstreffen teilgenommen und Politaktionen mit Berichterstattung begleitet. „Sie wurde gezielt eingeschleust“, vermutet FSK-Redakteur Werner Pomrehn. Der Zugang sei über Plates Szene-Zugehörigkeit erfolgt. Der FSK kündigte an, die Verletzung des Presserechts prüfen zu lassen.
Auch die Rote Flora kündigte rechtliche Schritte an. Der Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen sei an enge rechtliche Vorgaben gebunden, die unter anderem durch die lange Dauer des Einsatzes missachtet wurden. Mit der Begründung, es würden keine personenbezogenen Daten erhoben, agierten ErmittlerInnen im rechtsfreien Raum, heißt es aus der Flora. „Wir werden das nicht auf uns sitzen lassen“, sagte Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt gegenüber der taz.
Ganz unbemerkt waren die Ermittlungen jedoch nicht vonstatten gegangen – schon 2002 wurde von verschiedenen AktivistInnen Verdacht gegen „Iris Schneider“ geäußert. Damals konnte man jedoch nichts beweisen – vielmehr hatte das Misstrauen zu Spaltungen innerhalb der Szene geführt.
KATHARINA SCHIPKOWSKI