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Archiv-Artikel

Gentech soll Bio-Speisen garnieren

Heute beschäftigt sich der EU-Agrarrat mit der Reform der Ökoverordnung. Er dürfte einen Grenzwert von 0,9 Prozent für genmanipulierte Substanzen in Bionahrung festlegen. Etablierte Bioproduzenten wollen strengere Werte für alle Lebensmittel

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Biolebensmittel mit Gentechnik? Wenn es nach den Landwirtschaftsministern der Europäischen Union geht, wird das bald offiziell. Sie werden sich auf ihrem heutigen Treffen voraussichtlich auf eine Reform der Ökoverordnung einigen. Dann dürfen auch die mit dem EU-Biolabel gekennzeichneten Waren künftig bis zu 0,9 Prozent gentechnisch manipulierte Substanzen enthalten.

Schon im Dezember 2005 hatte die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der zwischen den traditionellen Bauernverbänden, den Ökobauern und den Umweltverbänden heiß umstritten war. Die Kommission hatte versucht, einerseits einen guten europäischen Mindeststandard für Biokost zu garantieren und andererseits deren Marktchancen nicht durch extrem strenge Anforderungen zu untergraben.

So legte sie fest, dass auch bei biologisch erzeugten Lebensmitteln die Schwelle für unbeabsichtigte und unvermeidbare Verunreinigungen mit genveränderten Substanzen (GVO) bei 0,9 Prozent liegen soll. Bislang macht die Ökoverordnung dazu gar keine Angaben – die Verschmutzung könnte also theoretisch höher sein als in konventionellen Lebensmitteln.

Bioerzeuger wie Demeter oder Bioland begrüßen es, dass sie nicht strengeren Auflagen unterworfen werden als die konventionelle Konkurrenz. Sie fordern aber niedrigere Schwellenwerte für die gesamte Nahrungsmittelproduktion und eine europaweite Anwendung des Verursacherprinzips. Das würde bedeuten, dass der Bauer, von dessen Feld die Genpflanzen stammen, oder die Mühle, in deren Kammern Reste von genetisch verändertem Korn zurückgeblieben waren, für den Schaden aufkommen müssen.

Thomas Dosch von Bioland erinnert daran, dass die 0,9 Prozent Verunreinigung nur unter der Bedingung rechtmäßig sind, dass sie unvermeidbar waren. „Es gibt kein Verschmutzungsrecht. Ökologischer Landbau kontrolliert seine Prozesse selber. Wir können nachweisen, was unvermeidbar war. Das müsste vom konventionellen Landbau genauso verlangt werden.“Auch bei der Koexistenz von genveränderten und normalen Pflanzen rechneten die Politiker inzwischen stillschweigend mit der Toleranzschwelle von 0,9 Prozent. Stattdessen fordert Dorsch: „Sie haben sicherzustellen, dass die Verunreinigung bei null liegt.“

Europäisches Parlament und Umweltverbände hatten ursprünglich verlangt, dass für das EU-Ökosiegel eine Verschmutzungsschwelle von 0,1 Prozent gelten sollte. Mehrere Verbände hatten mit der Schlagzeile „EU-Kommission erlaubt GVO in Biolebensmitteln“ polemisiert. Bioproduzenten sind darüber erbittert, weil sie um den Ruf ihrer Marken fürchten. Viele von ihnen haben intern ohnehin niedrigere Schwellen. 0,1 Prozent aber liegt unter der Nachweisbarkeitsgrenze.

Bioerzeuger fühlen sich als „Bauernopfer“ der Umweltverbände, die mit dieser Debatte an die Schwachstellen der geltenden Kennzeichnungspflicht für genveränderte Produkte erinnern wollen. Einig sind sich Umweltverbände, grüne Abgeordnete und Bioerzeuger allerdings in einem Punkt: Der Passus in der neuen Ökoverordnung, wonach genveränderte Enzyme und Vitamine erlaubt sein sollen, wenn konventionelle Produkte nicht mehr auf dem Markt sind, muss verschwinden. Denn die Zusatzstoffe werden nur noch von drei großen Firmen hergestellt, die keine konventionellen Enzyme mehr produzieren wollen. „Man beugt sich dieser Monopolstellung“, sagt Thomas Dosch.

Marken wie Demeter oder Bioland setzen ohnehin weiter auf den guten Ruf ihrer eigenen Qualitätssiegel. Sie sind heilfroh, dass sie sie auch nach der Reform weiter verwenden dürfen. Ursprünglich hatte die EU-Kommission nationale Ökolabel verbieten wollen, um den europäischen Binnenmarkt für biologische Lebensmittel stärker zu vereinheitlichen.