: Harmlosigkeit reinen Herzens
INDIEHAUSEN Das Quintett The Pains of Being Pure at Heart aus Brooklyn hinterlässt beim Konzert im Magnet-Club keinen bleibenden Eindruck
Es ist nicht leicht, reinen Herzens zu sein. Man sollte es manchmal auch gar nicht erst versuchen, denn reinen Herzens zu sein, kostet etwas. Schmerzen nämlich. Die Band The Pains of Being Pure at Heart aus Brooklyn, New York, die am Dienstagabend im gut gefüllten Magnet aufspielte, hat zumindest diese kleine Wahrheit verstanden. Fraglich blieb, welche Wahrheiten sie sonst noch anzubieten hatten.
Leider nicht viele, schien es. Die Band, die sich 2007 gegründet hat und mit „Belong“ auf Slumberland Records mittlerweile ihr zweites Album draußen, verließ sich voll und ganz auf alte Mechanismen, schwungvolle Melodien und drumherum viel Getöse. Man kennt das von schottischen Bands aus der Zeit vor dem zweiten Nirvana-Album: Erst kommt ein Gitarrenschwall, dann eine ruhige Passage mit Strophe, dann wieder Schwall, und irgendwann erhebt sich so etwas wie ein Refrain aus dem Song.
Eingängiges Rezept
Durchaus eingängiges Rezept natürlich, das Publikum, hoher Frauen-, hoher Pärchenanteil, wird schon gewusst haben, was kommt, und wurde insofern auch kaum enttäuscht. Und die da oben auf der Bühne unterschieden sich nicht groß vom Rest unten. Junge Leute, die angemessen die Köpfe senkten beim Spielen, und dann fehlende körperliche Aussage mit Gezappel kompensierten. Vielleicht war die Harmlosigkeit des Geschehens schon auf dem T-Shirt des Sängers Kip Berman, der hier natürlich eindeutig Chef auf der Bühne war, beschrieben.
An seiner Seite eine fragile Keyboarderin (Peggy Wang) mit Stimmchen, deren beide Elemente absolut selten auch nur zu ahnen waren, und eine brave, aber natürlich perfekt alles herunterspielende Rhythmusfraktion. Sowie einem zweiten Gitarristen, der irgendwie wie das fünfte Rad im Spielkreis wirkte und von jedem Manager mit Vision schon längst aus dem Gefüge geworfen worden wäre.
Schläfrige Band-T-Shirts
Aber wir sind ja hier in Indiehausen, wo Visionen von gestern und Harmlosigkeit Programm sind, und alle gute Menschen. Das T-Shirt des Sängers warb für Belle & Sebastian, sozusagen die Mutterband aller Harmlosigkeit, die sie aber wenigstens noch mit Ausflügen in Zickenrenitenz (als Isobel Campbell noch dabei war) oder politisch motivierende Melancholie (die guten frühen Stücke von Stuart Murdoch) durchbrechen konnten. Es hätte auch ein T-Shirt von Teenage Fanclub sein können, so als Referenz.
Aber selbst diese Band, ihres Zeichens die verschlafenste, die die Welt je hat hören können, konnte immer mal wieder mit Einfällen überraschen. Oder die Verschlafenheit zum göttlichen Prinzip erheben. Hier und heute Abend, bei dieser gut erzogenen Töchter- und Söhneband aus dem sonst so umtriebigen New York, überraschte fast nichts. Auch nicht die Verschlafenheit.
Und dabei sollte man doch meinen, dass es bei Musik um irgendwas gehen könnte. Um den Rausch, um die Liebe, um den Kitsch, ums Verlorensein, um die Schmerzen, den Weltekel, die Revolte, die Hybris, den Wahn, die Entgrenzung, das Neue, um die Mathematik, den Hedonismus, den Überschwang, was auch immer. Aber bei The Pains of Being Pure at Heart ging es immer nur ein bisschen um irgendwas, und also infolgedessen um fast nichts.
Letzte Frage: Was würde Steven Pastel von den Pastels, auch so eine schottische Schlafmütze, von diesem Quintett halten? Würde er es gut finden, sich abwenden, vor der Zugabe gehen? Man weiß es nicht.
„We’ll never die“, sang Kip Berman dann sogar gegen Ende. Glaub ich nicht. RENÉ HAMANN