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Archiv-Artikel

„Kostenerhöhungen sind vermeidbar“

Das Land muss die 750 Millionen Euro Schulden der BVG übernehmen, fordert Matthias Horth, Nahverkehrsexperte des Berliner Fahrgastverbandes Igeb. Schließlich handle es sich dabei überwiegend um politische Altlasten

taz: Herr Horth, die BVG und das Land Berlin beraten derzeit über einen neuen Verkehrsvertrag, der Qualitätskriterien vorschreibt. Dürfen sich Fahrgäste auf pünktliche Busse und zuvorkommende Kontrolleure freuen?

Matthias Horth: Das sind zwei treffende Beispiele, wo die BVG noch viel besser werden muss. Daran wird deutlich, dass Qualitätskriterien unverzichtbar sind.

Wie sinnvoll ist es, einem ohnehin defizitären Unternehmen mit Geldstrafen zu drohen, wenn die Busse unpünktlich kommen?

Grundsätzlich ist es richtig, nicht oder schlecht erbrachte Leistungen mit Strafen zu belegen. Bei öffentlichen Unternehmen greift das natürlich nur eingeschränkt, denn es ist witzlos, wenn ein Land ein landeseigenes Unternehmen bestraft. Die Sanktionen müssen deshalb Auswirkungen auf die Saläre der Vorstandsmitglieder haben. Auch jetzt werden die Gehälter erfolgsabhängig gezahlt. Aber Erfolg heißt: ein möglichst geringes Defizit zu erwirtschaften. Wir wünschen uns weitere Kriterien.

Die BVG wünscht sich eine Garantie, die Fahrpreise jährlich erhöhen zu dürfen. Bleibt den Verkehrsbetrieben kein anderer Weg, die Lücke zu schließen, die entsteht, wenn das Land seinen Zuschuss von 300 auf 250 Millionen Euro senkt?

Glücklicherweise hat das Abgeordnetenhaus per Beschluss das Volumen der Verkehrsleistungen – die sogenannten Nutzwagenkilometer – für U-Bahn, Straßenbahn und Bus klar definiert. Dahinter kann keiner mehr zurück. Klar ist aber auch, dass dieses Volumen nicht mit 250 Millionen Euro erbracht werden kann. Da müssen mindestens 50 bis 80 Millionen Euro draufgesattelt werden. Zumal die BVG noch Schulden in Höhe von 750 Millionen Euro hat. Mit diesen Altlasten kann das Unternehmen nicht so wirtschaftlich arbeiten, wie gewünscht wird.

Wer soll die Schulden übernehmen – etwa das hoch verschuldete Land Berlin?

Ja, das wäre die sauberste Lösung. Das sind ja überwiegend politisch bedingte Altlasten. Insofern sollte der Senat die Verkehrsbetriebe komplett entschulden. Zurzeit bedient der Fahrgast mit seinen Fahrgeldern den Schuldendienst. Tarife kann man nur dann günstig gestalten, wenn das Schuldenproblem gelöst wird.

Dann kostet die Fahrkarte im Jahre 2020 noch 2,10 Euro?

Wenn die BVG die Rahmenbedingungen bekommt, um wirtschaftlich zu agieren, dann sind Kostenerhöhungen über die Lebenshaltungskosten hinaus vermeidbar. Wenn die Fahrpreise weiter so überproportional steigen, besteht die Gefahr, dass die Fahrgastzahlen zurückgehen.

Aber daran ist dann nicht die BVG schuld, sondern das Land, das alles falsch macht?

Natürlich muss auch die BVG intern umstrukturieren. Gemessen an vergleichbaren Nahverkehrsunternehmen hat die BVG in der Verwaltung mindestens 1.000 Mitarbeiter zu viel. Die könnten teilweise auch im Fahrdienst eingesetzt werden.

Die Sachbearbeiterin soll auf U-Bahnfahrerin umschulen?

Genau. Es gibt schon entsprechende Programme, allerdings sind die finanziellen Anreize noch nicht hoch genug. Deshalb gibt es bisher zu wenig Resonanz.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN