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Archiv-Artikel

Überfall in Halberstadt: doch eine Festnahme

Neonazi, den Beamte erst laufen ließen, nun festgenommen. Dienstgruppenleiter der Polizei wurde suspendiert

MAGDEBURG dpa/afp/taz ■ Nach dem Neonazi-Überfall auf die Theatergruppe in Halberstadt hat die Polizei einen der acht mutmaßlichen Täter doch noch festgenommen. Die Beamten nahmen den 22-Jährigen am Sonntagabend fest, wie ein Polizeisprecher am Montag sagte. Bei dem Mann handele es sich um den einschlägig vorbestraften Rechtsextremisten, der zwar zum Tatort zurückgekehrt war, den aber die Beamten zunächst wieder hatten laufen lassen. Nach den sieben übrigen Schlägern wird weiter gefahndet. Der Festgenommene hat sich in einer Vernehmung bislang geweigert, Namen zu nennen.

Die Polizei steht stark in der Kritik. Die Opfer werfen den Beamten vor, sich zu lang mit ihren Personalien befasst zu haben, statt die noch anwesenden Täter zu stellen. Zudem hatten die Polizisten von dem 22-jährigen Tatverdächtigen in der Nähe des Tatorts nur die Personalien festgestellt und ihn dann wieder entlassen. Sachsen-Anhalts Innenministerium hatte Fehler bei dem Polizeieinsatz eingeräumt. Auch die zuständige Polizeipräsidentin Christiane Marschalk erklärte gestern, dass die Ermittlungsarbeit vor Ort unkoordiniert gewesen sei. Als erste Konsequenz sei der zuständige Dienstgruppenleiter mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion entbunden worden. Er hätte den Einsatz am Tatort leiten und Pannen verhindern müssen.

Bei dem Angriff am frühen Samstagmorgen waren fünf Ensemblemitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters nach einer Premierenfeier zusammengeschlagen worden. Die Opfer im Alter von 19 bis 32 Jahren erlitten Rippen- und Kieferverletzungen, Nasenbeinbrüche und Augenverletzungen.

Politiker aller im Landtag Sachsen-Anhalts vertretenen Parteien äußerten ihr Entsetzen über die Tat. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) zeigte sich „entrüstet“ und mahnte mehr Zivilcourage gegen rechtsextremistische Gewalt an: „Wenn es richtig ist, dass Tatzeugen unbeteiligt zugeschaut und nicht eingegriffen haben, dann wissen wir: Auch hier, beim Thema Zivilcourage, haben wir noch viel zu tun.“ Böhmer kündigte an, die Landeskampagne gegen Rechtsextremismus intensiv fortführen zu wollen.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Holger Stahlknecht, forderte, politisch motivierte Straftaten härter zu bestrafen. Die Vorsitzende der SPD- Fraktion, Katrin Budde, nannte das Verhalten der Schläger „barbarisch“, das der Polizisten am Ort „erschreckend“.

Auch der Deutsche Bühnenverein verurteilte den Überfall. „Die Gesellschaft ist gefordert, sich stärker mit dem Rechtsradikalismus in Deutschland auseinanderzusetzen“, sagte der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, in Köln. Notwendig sei eine intensive Aufklärung an Schulen und in Ausbildungseinrichtungen. „Die Theater leisten im Verein mit den soziokulturellen Zentren einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung und zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus“, sagte Zehelein. Deshalb müsse ihre Arbeit gerade auch an den kleineren Standorten in Ostdeutschland mehr unterstützt werden.“