: Gemischte Bilanz
VON CHRISTIAN SEMLER
Am Amtssitz des Bundespräsidenten läuft heute ein Festakt ab, mit dem das Ende der Auszahlungen seitens der Stiftung „Erinnerung,Verantwortung und Zukunft“ an die von Nazi-Deutschland ausgebeuteten Zwangsarbeiter gefeiert werden soll. Nach dem Abschlussbericht des Stiftung wurden insgesamt 4,37 Milliarden Euro an über 1.660.000 ZwangsarbeiterInnen ausgezahlt. Für den Zukunftsfond, der sich Forschungs- und Erziehungsprojekten widmet, stehen rund 400 Millionen Euro Stiftungskapital zur Verfügung. Schon letztes Jahr hatte die Stiftung hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit mit den sieben Partnerorganisationen problemlos verlaufen und dass Fälle von Unterschlagungen so gut wie nicht aufgetreten seien.
Die im Stiftungsgesetz festgelegte Summe von 2.500 bis zu 7.500 Euro pro Zwangs- bzw. Sklavenarbeiter stand in keinem Verhältnis zu den Gewinnen, die von privaten wie öffentlichen Unternehmern durch Lohnraub an den Zwangsarbeitern eingestrichen worden waren. Dennoch bedeuteten die jetzigen Zahlungen angesichts der erbärmlichen Renten vor allem der osteuropäischen Zwangsarbeiter eine echte Unterstützung. Vielfach wurde auch von Zwangsarbeitern hervorgehoben, wie wichtig die Anerkennung des erlittenen Unrechts für sie gewesen sei.
Der positiven Bilanz im Vorfeld des Festakts seitens des ehemaligen Verhandlungsführers Graf Lambsdorff und des Stiftungsinitiators Manfred Gentz stehen gewichtige Kritikpunkte gegenüber. Deren wesentlichster betrifft den Kreis der Anspruchsberechtigten. Italienische Militärinternierte, die zur Zwangsarbeit gepresst wurden, blieben ebenso „anspruchslos“ wie die zivil eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen. Dieses Ergebnis hat die damalige Regierung zu verantworten, für die 10 Milliarden DM das Limit war. Kritik trifft auch die Weigerung, eine Härtefallregelung einzurichten. Denn eine Reihe von Anträgen wurde verschleppt, wie im Fall des Internationalen Suchdienstes, oder blieb bei Partnerorganisationen hängen.
Schon während der internationalen Verhandlungen, die schließlich zur Einrichtung der Stiftung führten, war klar, dass das späte „Engagement“ der deutschen Firmen für die Zwangsarbeiter nicht freiwillig war, sondern Ergebnis des öffentlichen Drucks in den USA, mithin der Chancen deutscher Großunternehmen auf dem amerikanischen Markt. Das Sammeln der 5 Milliarden DM, also des Unternehmeranteils (eigentlich 2,5 Milliarden, die andere Hälfte war steuerlich absetzbar), gestaltete sich zu einem quälend langen Schauspiel. Bis zum Schluss weigerte sich eine große Zahl von Firmen, in den Topf einzuzahlen. Andererseits engagierten sich für die Zwangsarbeiter zahlreiche Initiativen und Medien, so dass die Errichtung der Stiftung auch zu einem Sieg der zivilgesellschaftlichen Kräfte in Deutschland wurde.
Zum heutigen Festakt bei Köhler liefert die Bundesregierung eine schrille Begleitmusik. Sie will durch Gesetzesänderung die Rechte der in- wie ausländischen Betroffenenvertretungen bei Entscheidungen der Stiftung aushebeln.