: Hallo, Hohenzollern
Jamaika unter Vorbehalt fürs Stadtschloss
Ist das Glas halb leer oder halb voll? Das kommt auf die Gestimmtheit des Betrachters an. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat beschlossen, die Kostenobergrenze beim geplanten Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses um 66,5 Millionen Euro auf insgesamt 590 Millionen Euro zu erhöhen. Nachdem Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) noch vor einem Jahr mit Verweis auf die leeren öffentlichen Kassen den Baubeginn auf 2014 verschoben hatte, ist der Beschluss zur Rekonstruktion der Hohenzollernbude mit Barockfassaden und Kuppel nun bekräftigt worden.
590 Millionen sind viel Geld, für manche zu viel, für manche zu wenig. Das linke, vor allem den Osten der Stadt ansprechende Berliner Boulevardblatt Berliner Kurier titelt: „Stadtschloss – Der Millionenspuk“. Für die Sanierung des asbestverseuchten Palasts der Republik sei nach der Wende kein Geld da gewesen, jetzt werde die teurere Wiederherstellung des Schlosses genehmigt, heißt es dort. Vor einer Schule in Kreuzberg konnte man schon vorher auf einem Transparent lesen: „Nicht die Kassen sind geleert, sondern die Verteilung ist verkehrt. Bildung statt Stadtschloss!“ Die Frankfurter Allgemeine hält ganz in diesem Sinne als wichtigste Nachricht zum Beschluss fest: „Für die Rekonstruktion der historischen Schlosskuppel in Berlin wollen die Regierungsfraktionen im Bundestag kein zusätzliches Steuergeld ausgeben.“
Nicht nur das Geld für die Barockfassaden, auch das Geld für die Kuppel soll der Förderverein Berliner Schloss sammeln. Über 100 Millionen Euro insgesamt müssen nun von Bürgern geworben werden. Die Angaben, wie viel davon schon gesammelt worden ist, schwanken. Angeblich hat der Verein bereits Spenden in Höhe von 22 Millionen Euro eingenommen. Doch verlor dessen Geschäftsführer Wilhelm von Boddien im Jahr 2009 einen Prozess gegen einen Schlosskritiker, der daraufhin weiterhin behaupten durfte, dass ein Gros der damals geworbenen Spenden bereits wieder ausgegeben worden war.
Der nun beschlossene Antrag wurde von einer Jamaika-Koalition im Haushaltsausschuss gestellt, also den dort vertretenen Arbeitsgruppen der Fraktionen von Union, Freidemokraten und Grünen. Auf Anregung Letzterer wurde in den Antrag noch die Formulierung aufgenommen, nicht nur der Kuppelbau stehe unter dem Vorbehalt, dass er durch private Mittel finanziert werde, sondern auch weiterhin die Fassade. Wenn’s dumm läuft, steht das Schloss also irgendwann ohne Kuppel und Fassade da. Die Traditionalisten hätten in jedem Fall die Schlacht verloren. Wäre doch mit dem Wiederaufbau des Schlosses bewiesen, dass die Alten die geistige Kraft besaßen, das Zentrum Berlins immer wieder neu zu denken, die Gegenwärtigen dagegen nicht.
ULRICH GUTMAIR