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Archiv-Artikel

Der große Beliebtheits-Check – taz vs. „Bild“

GETESTET Wir wollten es wissen: Wer will „Bild“, wer taz? Und wer ist noch bereit, Geld für Gedrucktes auszugeben? Der exklusive Boulevardcheck

Im Berliner Bergmannkiez sorgt unser Experiment für Aufsehen. Sprüche, verächtliches Zischen, schockierte Blicke. „Bild und taz zusammen, das gibt’s doch gar nicht!“, ruft uns eine Frau in der Marheinekehalle zu. „Solch Einvernehmen zwischen taz und Bild, das ist doch ein Trick“, sagt ein Student. Wir sind mit je 50 Ausgaben der ganz großen und der eher kleinen Boulevardzeitung unterwegs.

Unsere Mission: herausfinden, welche sich besser verkauft. Beide zum selben Preis: 1 Euro – die taz günstiger, die Bild teurer als sonst. Und dann: der Geiz-Schock! Auch nach zwei Stunden ist keiner bereit, Geld für eine Zeitung zu bezahlen. Doch viele wollen sie umsonst. Trotzdem lässt sich etwas über die Vorlieben der Berliner erfahren. Karsten (42) ist Bild-Stammleser, weil er die Bild-App praktisch findet. Sawu (47) hingegen sagt: „Natürlich lese ich die taz, wir sind schließlich in Kreuzberg.“ Mustafa (49) mag keines der beiden Blätter. „Die taz ist links, die Bild ist bescheuert, das ist beides nicht meine Richtung.“

Werden wir es schaffen, die Hefte doch noch loszuwerden? „Ich selbst hasse Zeitungen, aber ich kann verkaufen“, sagt Zeitungspromotor Ferdinand* (39). Er argumentiert nicht mit dem Inhalt, sondern mit dem Preis.

Also: neue Strategie. Ab jetzt gibt’s die Zeitungen kostenlos. Aber für jeden nur eine! Wovon wird wohl mehr verschenkt?

Abends auf der Oranienstraße. Viele reagieren amüsiert bis abwehrend. Bild? Bleibt mir bloß weg damit!“, ruft Sascha* (35), den wir vor der Konzerthalle SO 36 ansprechen. Monika (48) schreit nur schockiert „Bääääh!“, als wir ihr die Bild anbieten. Ihre Freundin Claudia (46) greift prompt zur taz und unaufgefordert auch zum Portemonnaie. Sie ist die Einzige, die an diesem Tag bereit ist, Geld für eine gedruckte Zeitung auszugeben.

Dann die Überraschung: Auch im alternativen Kreuzberg findet die Bild Abnehmer. Anzugträger Christian* (43) erzählt, dass er früher oft taz gelesen hat. „Doch die Themen interessieren mich nicht, und ich komme nie ganz durch. Die Bild lese ich immer im Flugzeug.“ Ekrem* (26) greift aus anderen Gründen zur Bild: „Die übertreiben immer so, das mag ich.

Am Ende liegt die taz leicht in Führung: 13 zu 9. Sieg!

Yilmaz (21) ist Kioskverkäufer und hat den Überblick, welche Zeitungen sich gut verkaufen. „Die Bild geht viel besser weg, die Leute sehen die Schlagzeilen und wollen sie dann haben.“

Doch auch wer sich im Kiosk nicht für die Bild entscheidet, kann ihr manchmal kaum entkommen. Zum Mauerfall-Jubiläum flattert eine Gratis-Bild in alle deutschen Briefkästen.

Die PARTEI rief zum Zwangsumtausch auf: „Bring den Bild-Müll – hol Dir eine Titanic!“ Das kommt an: Samstagabend strömen die Menschenmassen zum Stand der PARTEI, Dutzende Bild-Zeitungen gehen in Flammen auf, Tausende Titanic-Hefte werden nach Hause geschleppt.

Ob das Bild-Chefredakteur Kai Diekmann wohl freut? Er jedenfalls soll auch aufgekreuzt sein.

JOHANNA KLEIBL, FANNY STEYER

* Name und Alter von der Redaktion geändert