: Ohne Grundsatzdiskussionen zum Erfolg
Hohe Bekanntheit und 28.000 Verkaufsstellen – Lidl inbegriffen: Nach 15 Jahren hat sich das Transfair-Siegel durchgesetzt. Veteranen des fairen Handels vermissen politischen Anspruch. Diskussion über Mindeststandards für deutsche Händler
VON CHRISTINE ZEINER
Hilfe vom Staat? „Wollen wir nicht“, sagt Silviano. Vom Staat habe man nichts zu erwarten außer Unterdrückung – und Hilfe gebe es nicht umsonst, erklärt der mexikanische Kaffeebauer aus der zapatistischen Gemeinde Oventic. Das Dorf befindet sich in Chiapas, dem ärmsten Bundesstaat Mexikos. Die Kooperative, deren Vorstand Silviano ist, verkauft ihren Kaffee an faire Handelsorganisationen in Europa und den USA.
Die deutsche Gruppe „Café Libertad“ will die indigenen Gruppen Chiapas in „ihrem Kampf um Würde und Gerechtigkeit“, wie sie sagt, unterstützen und verkauft zapatistischen Kaffee in Deutschland – aber ohne das Transfair-Siegel. Denn mit der Arbeitsweise der Non-Profit-Organisation, die heute ihr fünfzehnjähriges Bestehen feiert, ist Café Libertad nicht einverstanden. Vom früheren politischen Anspruch der Fair-Handelsbewegung sei nur ein höherer Preis für die Bauern geblieben. Dafür will man den Vertrieb auf eine möglichst breite Basis stellen. Weil in die (Dritte-)Weltläden zu wenig Käufer kamen, haben sich Teile der alternativen Handelsbewegung dazu entschlossen, mit Supermärkten und konventionellen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Transfair-Produkte gibt es heute außer in 800 Weltläden auch in 27.000 Supermärkten; der Umsatz stieg 2006 auf rund 110 Millionen Euro.
„Wir sind nicht die 101. Nichtregierungsorganisation, die für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung eintritt“, sagt Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath. „Wir sind eine Organisation, die versucht, Akteure im bestehenden Handel in Richtung fairer Handel zu bewegen.“ Doch die Debatte, ob dieser Weg der rechte ist, ist nicht verstummt. Ja, es sei „auf jeden Fall“ richtig gewesen, die Transfair-Siegel-Organisation zu gründen, meint Klaus Wöldecke, Vorstand im Weltladen-Dachverband. Die Produzenten bräuchten neue Absatzmärkte. Deshalb handelt Transfair nicht nur über alternative Organisationen, sondern stellt zwischen Unternehmen wie Lidl und Kleinbauern in Lateinamerika, Asien und Afrika direkten Kontakt her. Die Transfair-Spielregeln sind klar: Soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangsarbeit sowie der Schutz von Natur und Umwelt gelten dabei für die Produzenten, faire Bezahlung gilt dabei für die Händler. Bei Kaffee beträgt diese 121 US-Cent pro Pfund. Dazu kommen 10 Cent Prämie an die Kooperativen und 20 Cent Aufschlag bei Öko-Anbau. Für diese höheren Preise dürfen die Unternehmen das Fairtrade-Logo auf die Produkte kleben – das nach Transfair-Angaben fast 40 Prozent der Bundesbürger kennen.
Aktionismus oder radikale Denkweisen sind in der Siegelorganisation nicht gefragt. Diesen Job sollen andere machen. „Wenn wir Unternehmen wie Lidl als Kooperationspartner gewinnen wollen, kann ich mich ja nicht an deren Eingangstür ketten“, sagt Transfair-Geschäftsführer Overath. „Es ist mir klar, dass wir entwicklungspolitisch interessierte Leute nicht befriedigen. Aber wir schauen auch auf die Realität: Konsumenten, die im Supermarkt einkaufen, wollen doch keine Grundsatzdiskussion über EU-Subventionen oder politische Verhältnisse führen.“
Genau das kritisieren Teile der fairen Handelsbewegung. Eine Tatsache ist allerdings, dass der Umsatz mit Transfair-Produkten erst so richtig zulegte, als der Discounter vor einem Jahr damit begonnen hat, Transfair-Kaffee und Schokolade zu verkaufen. Und das sei gut für die Produzenten. „Diese können nicht warten, bis sich politisch etwas ändert. Denn das dauert“, sagt Overath.
Die Debatten rund um den Anspruch von Transfair und der fairen Handelsbewegung haben jedenfalls zu einer neuen Diskussion geführt. Derzeit wird in dem Verein, zu dessen Trägern unter anderem Weltläden, kirchliche Organisationen und Umweltverbände gehören, darüber nachgedacht, Kriterien zu erstellen, an die sich Handelsunternehmen in Deutschland halten müssen: Arbeitszeiten und Bezahlung in Supermärkten, Röstereien oder Lagerstätten könnten dann auch hier genau unter die Lupe genommen werden.