: Gegen die Sonderschule
Elternverbände fordern Aufnahme behinderter Kinder in allgemeine Klassen. Bisher verstoße Deutschland gegen geltende UN-Konventionen
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Mit einem „Eltern-Schüler-Bündnis für bessere Schulen“ wollen in Nordrhein-Westfalen Elternvereine gemeinsam mit der Landesschülervertretung für die Integration Behinderter in die allgemeinen Schulen werben. „Von der inklusiven Schule, in der jedes Kind willkommen ist und jedes individuell gefördert wird, profitieren alle Kinder“, sagte Eva-Maria Thoms, eine der InitiatorInnen, gestern bei der Vorstellung der Initiative in Köln. Statt jedoch die Chancen des gemeinsamen Lernens zu nutzen, leiste sich die Bundesrepublik eine der niedrigsten Integrationsquoten Europas.
Immer noch werden etwa 87 Prozent der behinderten Kinder in Förderschulen anstatt in einer Regelschule unterrichtet. Rund 430.000 Kinder verbringen ihre Schulzeit ausschließlich unter Kindern mit den gleichen Handicaps: die Körperbehinderten unter Körperbehinderten, die geistig Behinderten unter geistig Behinderten, die Erziehungsschwierigen unter Erziehungsschwierigen. „Nie war der Widerspruch zwischen den Rechten von Kindern mit Behinderung auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der praktischen Umsetzung in den deutschen Schulen größer als heute“, rügte Bernd Kochanek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben NRW. „Die skandinavischen Länder haben es vorgemacht, dass es auch anders geht“, sagte Horst Wenzel von der nordrhein-westfälischen Landesschülervertretung.
Im Dezember vergangenen Jahres haben die Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen beschlossen, in der die Staaten in Artikel 24 aufgefordert werden, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen bereitzustellen. Erst zu Beginn der Woche hat die Europäische Konferenz zur Integration behinderter Menschen diese Forderung noch einmal bekräftigt. Die gemeinsame Schule für behinderte und nichtbehinderte Kinder, so heißt es in den Abschlussdokumenten, sei „unverzichtbar für die Integration behinderter Menschen in Arbeitsleben und Gesellschaft“.
Als ersten Schritt hin zu einer besseren Integration fordert das Eltern-Schüler-Bündnis, den Eltern das Recht auf freie Schulwahl zu geben. Denn derzeit würden sie noch regelmäßig von den Schulämtern gezwungen, ihre behinderten Kinder in Sonderschulen zu geben, kritisierte Eva-Maria Thoms. Die 44-jährige Journalistin weiß aus eigenem Erleben, wovon sie spricht: Ihr wurde beschieden, der „beste Förderort“ für ihre siebenjährige Tochter Karola sei die Förderschule „Geistige Entwicklung“. Doch Thoms wollte nicht, dass das Mädchen mit Downsyndrom schon als Grundschülerin aussortiert wird. Sie schickte Karola stattdessen auf eine private Schule „Die Privatschule war unser Rettungsanker“, so Thoms.
Mit anderen betroffenen Eltern hat sie den Verein „mittendrin“ gegründet, der derzeit unter dem Titel „Eine Schule für Alle“ für November einen bundesweiten Kongress in Köln vorbereitet.