: Mit Geld gezähmt
MUNDTOT In Tschechien und der Slowakei kaufen zunehmend Finanzoligarchen Zeitungen und entledigen sich so ihrer Kritiker
AUS PRAG ALEXANDRA MOSTÝN
Mitte Oktober war der Deal perfekt: die slowakische Investitionsgruppe Penta hatte sich in eines der Leitmedien des Landes eingekauft, die Tageszeitung SME. 15 Millionen Euro soll Penta an SME-Herausgeber „Petit Press“ gezahlt und dafür 50 Prozent Teilhabe erhalten haben. Vorher hatte die Rheinische Post Mediengruppe die Anteile besessen.
Noch am Tag des Verkaufs trat die gesamte redaktionelle Leitung der Zeitung zurück. „Wir betrachten den Einstieg von Penta bei Petit Press als Bedrohung der Unabhängigkeit unserer Arbeit und als direkte Schädigung der Tageszeitung SME“, erklärten Chefredakteur Matus Kostolny und seine Stellvertreter in einem offenen Brief an die Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft. Zusammen mit Penta, so die Chefredaktion, ließe sich keine freie Zeitung machen. „Deshalb haben wir beschlossen, dass wir in einer Zeitung, deren Teilhaber die Penta ist, nicht arbeiten können und kündigen müssen“, sagte Kostolny. Er und seine Kollegen befürchten einen Interessenkonflikt. Denn Penta, so zumindest die Befürchtungen, gehe es vor allem darum, sich mithilfe der SME einen Mantel der Vertrauenswürdigkeit zu erkaufen, unter dem sie ihre wirtschaftlichen Interessen besser, vor allem aber ungestört durchsetzen könne. Die SME war eine der ersten Zeitungen, die vor zwei Jahren die korrupten Machenschaften der Penta aufgedeckt hatte. Diese sind inzwischen als „Akte Gorilla“ in die neuere Geschichte der Slowakei eingegangen: Geheimdienstprotokolle haben damals offen gelegt, wie in der ersten Hälfte der 2000er die wirtschaftlichen Reformen in der Regierung von Mikulas Dzurinda abliefen. Die Privatisierungen großer Staatsbetriebe, wie Energiewerke oder Flughäfen, wurden vor allem in einer konspirativen Wohnung von Penta-Miteigentümer Jaroslav Hascak beschlossen. Der zahlte saftige „Provisionen“ dafür, mitzuentscheiden, wer den Zuschlag beim Verkauf strategischer Staatsunternehmen erhielt. Die Causa Gorilla hat vor allem eines gezeigt: Penta ist ein Staat im Staate. Und der beherrscht jetzt die Zeitung, die der slowakische Regierungschef Robert Fico einmal als „einzige Opposition“ im Land bezeichnet hatte.
Kritisch und unabhängig
Das liberale Blatt blickt auf eine bewegte, wenn auch kurze Geschichte zurück. Gegründet wurde sie kurz nach der Unabhängigkeit der Slowakei im Januar 1993 als Abspaltung der Tageszeitung Smena. Die hatte der damalige autokratische Regierungschef Vladimír Meciar versucht, durch Abberufung der Chefredaktion linientreu zu machen. Seitdem galt die SME als Musterbeispiel kritischer und unabhängiger journalistischer Berichterstattung. Der Einstieg von Penta ist nun ein Bruch. Johannes Werle, Holding-Geschäftsführer der Rheinische Post Mediengruppe, nennt diese Entwicklung einen „sich wandelnden Medienmarkt in der Slowakischen Republik“. Mit der Oligarchisierung der mitteleuropäischen Presse kennt Werle sich aus. Im Juni 2013 veräußerte er die tschechische Tochter der Rheinisch-Bergischen Mediengruppe, den Verlag Mafra, an den zweitreichsten tschechischen Unternehmer, Andrej Babiš. Als Herausgeber der großen Tageszeitungen MF Dnes und Lidové noviny und Betreiber von Webportalen, Radiosendern und Fernsehstationen gilt Mafra als mächtigste Mediengruppe in Tschechien. Seitdem er sie Mitte vergangenen Jahres gekauft hat, ist Andrej Babiš kaum aufzuhalten: aus dem erfolgreichen Chemie-, Agrar- und Lebensmittelunternehmer, der mit seiner Agrofert Group der größte tschechische Investor in Deutschland ist (Lieken Urkorn, Stickstoffwerke Piesteritz), ist inzwischen die politische Größe Tschechiens geworden: Finanzminister, Vizeregierungschef und Führer der politischen Bewegung ANO. Die gilt Umfragen wie Wahlerfolgen zufolge als beliebteste politische Kraft des Landes und punktet mit dem Gesicht von Andrej Babiš und Aussagen wie: „Wir packen es einfach.“ Die wirtschaftliche und politische Macht, die Babiš als zweitwichtigster Mann des Landes in seiner Person konzentriert, ist enorm.
In seiner Rolle als Medienmogul ist er aber keine Ausnahme in Tschechien. Denn er ist weder der erste noch der letzte Oligarch, der deutschen Investoren wichtige Medien abgekauft hat. Der Verlag Axel Springer Ringier, eine deutsch-Schweizer Vernunftehe, verkaufte im Frühjahr seine tschechischen Titel, unter ihnen die große Boulevardzeitung Blesk, an den Energieunternehmer Daniel Ketinský (Mibrag) und den Investor Patrik Tka von der JT-Gruppe. Erster Oligarch, der sich ein tschechisches Medienhaus kaufte, war aber der, inzwischen schwächelnde, Kohlenbaron Zdenek Bakala. Bakala, der sich gerne mit Exdissidenten wie Václav Havel oder Karel Schwarzenberg umgab, erstand 2008 von der Düsseldorfer Handelsblatt-Gruppe den Wirtschaftsverlag Economia. Der gibt unter anderem auch die Wochenzeitung Respekt heraus. Die bezeichnet sich zwar gerne als kritisch, betreibt aber Autozensur, indem sie nicht über Eigentümer Bakala und dessen Machenschaften berichtet.
Aber es gibt auch andere Reaktionen auf die Oligarchisierung der Medien. Inzwischen haben sich in Tschechien alternative Medienprojekte entwickelt. Zwei ehemalige Chefredakteure aus dem Mafra-Verlag haben Magazine gegründet, und auch die Redaktion der SME hat bei ihrem kollektiven Rücktritt vor vier Wochen angekündigt, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen.