: Ein „Paket der Grausamkeiten“
KAUFHAUSKRISE Bei Karstadt müssen 3.000 Beschäftigte um ihren Job zittern. Für die restliche Belegschaft soll es nach dem Willen des Vorstands weniger Geld geben
KARSTADT-GESAMTBETRIEBSRAT
VON PASCAL BEUCKER
BERLIN taz | Nur auf eines können sich die Mitarbeiter von Karstadt fest verlassen: Ihre Zeit der Leiden bei dem Warenhauskonzern geht weiter. In der Essener Hauptverwaltung trifft sich an diesem Mittwoch der Vorstand mit dem Gesamtbetriebsrat, um über das neueste Sanierungspaket zu verhandeln. Die Arbeitnehmervertreter befürchten einen „Frontalangriff auf alle Beschäftigten von Karstadt“. Damit dürften sie richtig liegen.
Bereits Mitte Oktober hatte der frisch inthronisierte Vorstandsvorsitzende Stephan Fanderl „zum Teil sehr schmerzliche Entscheidungen“ angekündigt. Inzwischen wird deutlicher, wie die angekündigten „Maßnahmen zur nachhaltigen Senkung von Personal- und Sachkosten sowie strukturelle Maßnahmen zur Rentabilitätsverbesserung des Filialportfolios“ konkret aussehen. In einem Rundbrief an die Beschäftigten hat der Gesamtbetriebsrat das „Paket an Grausamkeiten“ veröffentlicht, das ihm von der Unternehmensleitung vorgelegt worden ist.
Neben der bereits verkündeten Schließung von sechs Filialen will das Management alle Karstadt-Häuser auf den Prüfstand stellen. Eng dürfte es vor allem für die Läden in mittelgroßen Städten wie Bottrop, Mönchengladbach oder Iserlohn werden. Über alle Unternehmensbereiche verteilt, plant Karstadt nun 1.950 Vollzeitstellen abzubauen. Unter Berücksichtigung der Teilzeitquote droht damit etwa 3.000 Beschäftigten der Verlust ihres Jobs. So soll in der Essener Zentrale „mehr als jeder vierte Arbeitsplatz“ verschwinden, beim Onlineshop karstadt.de dürfte es sogar 90 Prozent der Belegschaft an den Kragen gehen. Derzeit arbeiten noch insgesamt rund 17.000 Beschäftigte für den Handelskonzern, den der österreichische Investor René Benko im August für einen symbolischen Euro vom deutsch-amerikanischen Milliardär Nicolas Berggruen übernommen hat.
Die, die bleiben dürfen, müssen sich auf Einkommenseinbußen einstellen. Das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld sollen gestrichen, auf Tariferhöhungen „über einen langen Zeitraum“ verzichtet werden. Karstadt war 2013 aus der Tarifbindung ausgestiegen. Die Rückkehr sollte eigentlich im kommenden Jahr erfolgen. Außerdem soll die durchschnittliche Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich von 37,5 auf 40 Stunden angehoben werden. Darüber hinaus wurde der bestehende Rahmensozialplan gekündigt. „Dies ist kein Sanierungsprogramm, sondern ein Kahlschlag“, kommentiert empört der Gesamtbetriebsrat.
Als „nicht nachvollziehbar, fahrlässig und eine Zumutung“, kritisierte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger die Pläne der Karstadt-Spitze. Es entstehe der Eindruck, dass bei dem neuen Eigentümer „das Interesse an den Immobilien und eine rücksichtslose Sanierung auf dem Rücken der Beschäftigten im Vordergrund stehen“. Für Investionen gebe es hingegen nur „ein luftiges Versprechen“. Sanierungsversuche auf Kosten der Belegschaft haben inzwischen Tradition bei Karstadt. Auf rund 700 Millionen Euro beziffert die Gewerkschaft den Verzicht, den die Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren üben mussten.