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Archiv-Artikel

OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Klassische Moderne: Im ästhetischen Rückgriff auf die Traditionen des europäischen Kunstkinos der späten 1950er/frühen 1960er Jahre, in Schwarzweiß und im heute schon fast ungebräuchlichen Normalformat drehte 2013 der in England beheimatete polnische Regisseur Pawel Pawlikowski „Ida“. Der Film spielt 1962 und bezieht sich – bei aller klar strukturierten Schlichtheit – in hochkomplexer Weise die wichtigen Themen der polnischen Nachkriegszeit: die tief verwurzelte katholische Religiosität, Antisemitismus, den Stalinismus mit seinen Schauprozessen, die Frage nach der individuellen Freiheit. Im Zentrum steht die Novizin und Waise Anna, die kurz vor dem Gelübde ihre einzige noch lebende Verwandte kennenlernt, die Schwester ihrer Mutter. Wanda, die parteitreue Richterin mit erheblichem Zigaretten-, Alkohol- und Männerkonsum, eröffnet ihrer Nichte ohne Umschweife, dass diese Jüdin sei und in Wirklichkeit Ida heiße. Die anschließende Suche der beiden Frauen nach dem Grab von Idas in der Kriegszeit ermordeten Eltern wird für Wanda eine Reise in eine schmerzhafte Vergangenheit werden, Ida hingegen lernt ungewohnte Freiheiten jenseits der klösterlichen Ordnung kennen, in der sie aufgewachsen ist. Implizit und mit vielen offengelassenen Enden stellt der Film viele Fragen nach Freiheit und Verantwortung in der Gesellschaft wie im persönlichen Leben: kluger Diskussionsstoff, inszenatorisch, kameratechnisch und schauspielerisch absolut beeindruckend. (14. 11. Filmmuseum Potsdam)

Ein Kloster gibt es auch in Ernst Lubitschs Groteske „Die Puppe“ (1919): Für den Neffen eines reichen Mannes wird es zum vermeintlichen Refugium bei seiner Flucht vor einer unerwünschten Ehe. Doch auch im Kloster will man ihm nicht wohl, denn die Mönche, die auf sein Geld aus sind, überreden ihn, eine Scheinhochzeit mit einer mechanischen Puppe einzugehen. Die stellt sich kurze Zeit später als die charmante Tochter des Konstrukteurs heraus … Gedreht in komplett stilisierten Kulissen, deren Modelle Ernst Lubitsch in einem hübschen Prolog selbst in einer Miniaturlandschaft aufstellt, amüsiert „Die Puppe“ vor allem mit Ossi Oswaldas frecher und überdrehter Interpretation des vermeintlich mechanischen Wesens. (13. bis 14. 11., Arsenal)

In einer Filmreihe zum 40. Todestag des Schriftstellers Erich Kästner zeigt das Babylon Mitte unter anderem Tomy Wigands schwungvolle Verfilmung von Kästners unverwüstlichem Internatsroman „Das fliegende Klassenzimmer“. Wie die zum Klassiker gewordene literarische Vorlage verzichtet der 2002 entstandene Film auf altkluge Gören, nimmt die Kinder dabei aber mit großer Leichtigkeit ernst. (15. 11. Babylon Mitte)