: Es geht rückwärts im Reformprozess
BIRMA Seitdem die Militärs 2011 das Land zu öffnen begannen, wird es international hofiert. Doch von den ersten Schritten in Richtung Reform ist wenig übrig geblieben. Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi wirft den USA vor, zu optimistisch gewesen zu sein
■ Nach dem Apec-Gipfel in Peking treffen sich jetzt viele asiatische Staats- und Regierungschefs in Naypyidaw, der Hauptstadt von Birma (Myanmar). Dort hat am Mittwoch der Asean-Gipfel stattgefunden, also das Treffen der zehn südostasiatischen Staaten. Themen waren der Gebietskonflikt im Südchinesischen Meer, der Schutz vor Ebola und die Bekämpfung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Am Donnerstag tagt am selben Ort der Ostasiengipfel. Das ist eine Erweiterung der Asean um ihre wichtigsten Partner wie China, Indien, die USA und Russland. US-Präsident Barack Obama verbindet seine Teilnahme mit seinem zweiten Staatsbesuch in Birma. Am Freitag will er in Rangun die Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi treffen. (han)
VON NiCOLA GLASS
BANGKOK taz | Vom Paria zum Gastgeber internationaler Treffen: Birma (offiziell Myanmar) hat derzeit den Vorsitz der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean inne und richtet an diesem Donnerstag den Ostasiengipfel aus, an dem auch Barack Obama teilnimmt. Wie die EU hat Washington in den vergangenen zwei Jahren nahezu alle Sanktionen gegen Birma aufgehoben, als „Belohnung“ für den politischen Reformprozess der früheren Militärs.
Kritiker klagen jedoch, dass die Öffnung inzwischen rückläufig sei und Menschenrechtsverletzungen unter der jetzt aus Exmilitärs bestehenden Regierung anhielten. So gibt es gezielte Gewalt gegen Muslime, insbesondere gegen die Rohingya, die in Birma nicht als ethnische Minderheit anerkannt sind. Im westlichen Staat Rakhine, der seit 2012 Schauplatz blutiger Ausschreitungen ist, wirft Human Rights Watch der Regierung und Sicherheitskräften ethnische Säuberungen an den Rohingya sowie Mord und Verfolgung vor.
Mehrfach musste sich Präsident Thein Sein zudem vorhalten lassen, Versprechen gebrochen zu haben. So hatte der Exgeneral zugesagt, alle politischen Gefangenen bis Ende 2013 auf freien Fuß zu setzen. Doch noch immer blieben nicht nur Dutzende inhaftiert, sondern kamen weitere hinzu. Bei einer Amnestie im Oktober war unter 3.000 Freigekommenen keine Handvoll politischer Gefangener.
Das Militär ist weiter der entscheidende Machtfaktor. Die Armee führt im Norden nicht nur Krieg gegen die ethnische Kachin-Minderheit, sondern geht außerdem – wie im Shan-Staat – gegen Rebellen vor, mit denen die Regierung eigentlich längst Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hat: „Die romanhaften Schilderungen über einen politischen Wandel sind unvereinbar mit Kriegsverbrechen und Straflosigkeit“, kritisiert Matthew Smith von der in Bangkok ansässigen Organisation Fortify Rights. Wie im Shan-Staat ist auch im östlichen Karen-Staat von einer Waffenruhe immer weniger zu spüren: Trotz eines im Januar 2012 unterzeichneten Abkommens seien Regierungstruppen weiter und zunehmend präsent, schreibt die Karen Human Rights Group in einem Brief an US-Präsident Obama.
Erst kürzlich machte das Militär wieder unrühmliche Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Tötung des Journalisten Par Gyi. Seine Leiche wurde inzwischen exhumiert. Die Armee hatte den Reporter beschuldigt, für eine Rebellengruppe zu arbeiten. Bei einem Fluchtversuch sei er dann erschossen worden. Angehörige und Kollegen aber beschuldigten das Militär, Par Gyi zu Tode gefoltert und dann ermordet zu haben.
Schon vor seiner Reise hatte Barack Obama gegenüber Präsident Thein Sein auf faire Wahlen 2015 und die Einhaltung der Menschenrechte gepocht. Aung San Suu Kyi kritisierte, die Reformen seien zum Stillstand gekommen und Washington sei zu optimistisch gewesen. Dass gerade Aung San Suu Kyi sich beklagt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Denn die Friedensnobelpreisträgerin und ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) haben seit ihrem Sieg bei den Nachwahlen 2012 selbst weder zu einer Verfestigung von Reformen noch einer Verbesserung der Menschenrechte beigetragen.
Einzige Ambition der NLD ist, eine Verfassungsänderung herbeizuführen, damit Suu Kyi für die Staatspräsidentschaft kandidieren kann. Bisher ist ihr das verboten, da ihre Söhne britische Staatsbürger sind. Ohne Zustimmung des Militärs, das ohnehin 25 Prozent der Parlamentssitze und damit eine Sperrminorität innehat, ist eine Verfassungsänderung undenkbar. Ebenso undenkbar ist aber auch, dass sich das Militär sein durch die Verfassung garantiertes Vetorecht aus der Hand nehmen lässt.