: Das Feuer bändigen
SYNTHIEPOP Das Duo Xeno and Oaklander gehört zur Speerspitze des New Yorker Minimal Wave-Revivals und erzeugt seine Musik ausschließlich mit analogen Geräten. Heute Abend spielt es im King Kong Club
LIZ WENDELBO
VON TIM CASPAR BOEHME
Gitarrenbands müssen sich selten den Vorwurf anhören, retro zu sein, weil sie altmodische Instrumente benutzen. Elektrische Gitarren gehören schließlich seit einigen Jahrzehnten zum Kernbestand des Popbetriebs, so wie Oboen und Celli ihren festen Platz im Orchester haben. Benutzen Popmusiker hingegen analoge Synthesizer aus den Siebzigern oder frühen Achtzigern, bringt man ihre Erzeugnisse gern schon mal mit der Musik der Dekade in Verbindung, in der ihre Geräte hergestellt wurden: New Wave, Postpunk und Ähnliches sind die üblichen Assoziationen, die sich bei der Musik von derzeitigen Synthiebands einstellen.
Xeno and Oaklander aus Brooklyn, die heute im King Kong Club zu hören sind, bekommen den Vergleich ebenfalls oft zu hören. Ganz abwegig ist das nicht, denn einiges an dem Klang, den das Duo, bestehend aus Liz Wendelbo und Sean McBride, kultiviert, lässt mit gutem Grund an die frühen Achtziger denken: kühl-metallische Synthesizer, die ausschließlich nach sich selbst und nicht nach Imitationen von akustischen Instrumenten klingen, dazu die mechanischen Rhythmen und ein möglichst ausdrucksloser Gesang – all dies ist typisch für eine Reihe von Bands, die in den frühen Achtzigern begannen, erschwingliche Synthesizer zur kreativen Selbstermächtigung einzusetzen und, vornehmlich in der europäischen Provinz, mit melancholisch-harten und reduzierten Songs gegen ihre Isolation anzuspielen. Cold Wave oder Minimal Synth nennt man diese Musik, die oft klang wie die frühen Human League, aber weitgehend jenseits der Hitparaden stattfand.
Minimal Wave wird auch die Musik genannt, die Xeno and Oaklander machen. Seit einiger Zeit spricht man von einem Minimal Wave Revival, für das in Amerika vor allem das New Yorker Label Wierd Records steht, bei dem auch die Platten des Duos erscheinen, ebenso Sean McBrides Soloproduktionen als Martial Canterel. Doch als reine Wiederbelebungsbewegung sehen die zwei Musiker ihre Musik keinesfalls.
Seine beachtliche Synthesizersammlung möchte Sean McBride auch nicht als Rekonstruktionsprojekt im Dienste der Vergangenheit verstanden wissen. Für ihn sind die Apparate, mit denen er seit Mitte der Neunziger arbeitet, genauso „historisch“ wie akustische Instrumente samt ihren Begrenzungen: „Die analoge Synthese lässt sich nicht aktualisieren, erweitern oder überarbeiten. Es gibt keine neuen Betriebssysteme oder schnellere Prozessoren. Der analoge Synthesizer hat seinen Platz neben anderen Instrumenten der Musikgeschichte wie das Klavier oder die Geige als ein Gerät mit einer festgelegten Menge von Parametern, die unveränderlich sind.“
So ist es denn auch genau dieser Klang, der sich mit analogen Geräten – und eben nur mit ihnen – erzeugen lässt, der Xeno and Oaklander fasziniert und ihre Hingabe erklärt, mit der sie sich ihnen widmen. „Die analoge Ausrüstung ist warm und zugleich fragil, was sie ansprechend und menschlich macht“, findet Liz Wendelbo. McBride geht in seinem Credo noch einen Schritt weiter: „Man kann mit Elektrizität ganz unmittelbar Feuer gestalten. Es ist sehr elementar.“
Xeno and Oaklander sehen sich nicht als Programmierer, wie es für Laptopmusiker etwa typisch ist, sondern sie spielen im Studio wie auf der Bühne ihre Stücke stets live ein, verwenden lediglich altmodische Sequencer, um bestimmte Tonfolgen zu speichern: „Wir spielen alle Instrumente ohne die Hilfe von Computern, die Kunst des ‚one take‘ ist für uns Nervenkitzel und Herausforderung. Durch die Beschränkungen, die einem die analoge Ausrüstung auferlegt, wird uns zudem das Treffen von Entscheidungen abgenommen. Das ist befreiend“, so Wendelbo. Und nicht nur das, ergänzt McBride: „Wenn alles live geschieht, kann man auch wieder Dinge ändern, strecken oder kürzen und muss nicht an einem vorgegebenen Programm festhalten.“
Wendelbo und McBride wissen sich in guter Gesellschaft. Die New Yorker Minimal-Wave-Szene wächst seit einigen Jahren beständig, das Label Wierd Records versammelt immer neue Bands wie Led Er Est, Staccato du Mal oder Kindest Lines, die mit Xeno and Oaklander eine Reihe von Vorlieben teilen. Auch die in Berlin lebenden Mueran Humanos aus Buenos Aires, die heute ebenfalls im King Kong Club auf der Bühne stehen, gehören mit ihrem Postpunk in den erweiterten Wierd-Kosmos, in dem Gitarren alles andere als tabu sind. Sie sind vielmehr genauso selbstverständlich wie Synthesizer.
■ Xeno and Oaklander, heute, King Kong Club, 22 Uhr