Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Das durch „Irina Palm“ neu erwachte Interesse an der Sixties-Ikone Marianne Faithfull dürfte als Grund gelten, mit „The Girl on a Motorcycle“ einen ihrer besten „alten“ Filme wieder ins Programm zu nehmen. Für die britisch-französische Produktion aus dem Jahr 1968 adaptierte der einst als Technicolor-Kameramann zu Ruhm gekommene Jack Cardiff den Roman „La Motocyclette“ von André de Mandiargues und ließ die Faithfull als frisch mit einem langweiligen Lehrer verheiratete junge Frau mit dem Motorrad durchs Elsass ihrem Liebhaber entgegensausen, einem Heidelberger Universitätsdozenten, den Alain Delon als Pfeife rauchenden Egozentriker gibt. Vage beschwört der Film dabei die Rebellion der 68er Generation gegen die kleinbürgerliche Enge herauf: Neben der von Cardiff wunderbar fotografierten Motorradfahrt (mit Marianne nackt unter Leder, wie uns der deutsche Titel versichert) gibt es Mittsechziger-Agentenfilmmusik, psychedelisch blubberndes Käsefondue, Diskussionen über die freie Liebe und wild farbverfremdete Rückblenden und Traumsequenzen, in denen sich die Faithfull der erotisch erfüllenden Momente mit ihrem Lover erinnert.
Betrachtet man das Werk von Alain Resnais aus den letzten 25 Jahren, so kann man zweifellos feststellen, dass sich der französische Regisseur dabei fast im Alleingang am seltsamen Genre des komischen Melodrams (oder der melodramatischen Komödie, je nach Sichtweise) abgearbeitet hat. Das gilt natürlich für seinen bislang letzten Film „Herzen“, der mit seinen unglücklich verlaufenden Geschichten über die Affären von vereinsamten Menschen eher das melodramatische Moment betont, in seinen Details dann jedoch auch immer wieder ausgesprochen ironisch und schwarzhumorig daherkommt. Hingegen akzentuiert „Das Leben ist ein Chanson“ (1997), eine weitere Geschichte von diversen Beziehungskrisen und Lebenslügen, eher die komödiantischen Elemente – nicht zuletzt, weil Resnais die innerfilmische Realität immer wieder aufbricht, indem er seinen Protagonisten Original-Fragmente populärer Chansons in den Mund legt, die dann jeweils eine Situation erläutern oder einen Charakter definieren. So wichtig wie die Lieder sind hier auch die Dekors: Die Lügen und Verstellungen der Filmcharaktere finden sich buchstäblich in den Bauten von Jacques Saulnier wieder. So erweist sich etwa der versprochene wundervolle Ausblick auf Sacre-Coeur bei einer Wohnungsbesichtigung als derart verbaut, dass sich einer der Protagonisten schon unter wilden Verrenkungen über die Balkonbrüstung beugen muss, um die Kirche überhaupt zu erblicken.
Mit „Lotte im Dorf der Erfinder“ haben die estnischen Animationskünstler Janno Pöldma und Heiki Ernits einen charmanten Trickfilm geschaffen, in dem das Hundemädchen Lotte unter anderem Abenteuer um einen Erfinderwettbewerb und eine Judomeisterschaft in Japan erlebt. Der Bilderbuchstil der Zeichnungen wirkt ausnehmend attraktiv und die episodische Struktur der Story wird auch kleine Zuschauer nicht überfordern. LARS PENNING