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Archiv-Artikel

Die Hacker aus Hannover

Es brauchte nicht mehr als einen Computer, um der Großmacht USA einen Albtraum zu bescheren. Vor 20 Jahren setzten Fahnder ein Hacker-Trio fest, das militärische Einrichtungen ausgespäht hatte

VON MART-KNOCHE

Auf ihre Spur kam das FBI durch einen mysteriösen Abrechnungsfehler. Eine Differenz in der Telefonrechnung des kalifornischen Lawrence Berkeley Laboratory im September 1986. Es waren 75 Cent. Eine pedantische Überprüfung des Instituts, dessen Rechner an das Regierungsdatennetz angeschlossen waren, folgte – und besiegelte den Anfang vom Ende einer der ersten und spektakulärsten Hacker-Aktionen des Computerzeitalters.

Über das Computernetzwerk der Universität Bremen hatten sich Markus Hess, Karl Koch und Hans Heinrich Hübner Zugang zu geheimen Rüstungs- und Wirtschaftsinformationen der USA und der Bundesrepublik verschafft. Die geklauten Daten verkauften sie an den russischen Geheimdienst KGB – mitten im Kalten Krieg.

Nach den Hinweisen des FBI durchsuchte heute vor zwanzig Jahren, am 23. Juni 1987, die Polizei eine Privatwohnung in Hannover. Sie kassierte Hacker-Werkzeug und Disketten ein. Das FBI hatte mit Hilfe der Deutschen Post und einer Fangschaltung den den Standort des Hacker-Trios lokalisiert. Urmel, Hagbard und Pengo – wie die drei sich nannten – saßen in Hess‘ Hannoveraner Wohnung.

Das Trio gehörte den ersten Surfern in Deutschland an. Eine überschaubare, heterogene Szene von einigen hundert Hackern, die sich von den Kongressen des Chaos Computer Club (CCC) her kannten – vor allem aber von Treffen in den Datenströmen. Dorthin gelangten sie durch die hauseigenen Telefonbüchsen.

„Wenn man die Kaffeemaschine benutzt, weil der Herd nicht geht, um Wasser heiß zu machen, welches dazu verwendet wird, die Fertigmischung für Kartoffelbrei zuzubereiten, dann ist man ein Hacker“, sagte Wau Holland, Gründer des CCC, einst zum Selbstverständnis der Szene. Es war eine Subkultur, die die Möglichkeiten der neuen Informationstechnologie erforschte. Spielerisch, und in der damaligen Zeit befand sie sich immer am Rande der Legalität. Für Hess, Koch und Hübner endete sie tragisch, ihnen wurden Spionage und Geheimnisverrat vorgeworfen.

Zunächst konnte die Anklage nicht aufrechterhalten werden: Die Fangschaltung der Post hatte man ohne richterliche Genehmigung eingerichtet. Ein Ermittlungsverfahren gegen Markus Hess wurde eingestellt. Doch die Behörden wussten nun, mit wem sie es zu tun hatten. Der Druck vergrößerte sich, Razzien in den Wohnungen von hunderten vermeintlichen Hackern wurden im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Schließlich offenbarte sich das Hacker-Trio dem Verfassungsschutz. In dem späteren Prozess waren alle Angeklagten geständig. Dank eines Deals mit der zuständigen Staatsanwaltschaft wurde die Anklage fallengelassen. Die Affäre wurde kleingeredet. Für die zuständigen Stellen war es offenbar schlicht zu unangenehm, dass drei Autodidakten hochgerüstete Sicherheitssysteme umgehen konnten und damit bilaterale Spannungen zwischen den USA und der Bundesrepublik ausgelöst hatten. Wenig später kam Karl Koch unter mysteriösen Umständen ums Leben. Seine verbrannte Leiche wurde in einem Waldstück nahe Gifhorn gefunden.

„Bis heute streitet sich die Szene über die Geschehnisse von damals“, sagt CCC-Vorstizender Andi Müller-Maguhn. Wo hört der Spaß auf und wo beginnt der Ernst. „Hacker bauen Dinge auf – zerstören sie nicht“, steht heute in der Hacker-Ethik des CCC.