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Archiv-Artikel

Wo einst die Klappe fiel

DREHARBEITEN Im BVV-Saal von Steglitz-Zehlendorf tagten auch schon Hollywood-Größen

Von STA
Für das Wochenende hatten sich schon die örtlichen Schachfreunde eingebucht

Irgendwie hätte einem das alles bekannt vorkommen können. Dieses helle Eichenholz an der Wand, der dunkle Holzfußboden, die hohen Fenster im Rücken der Richterbank, wo sonst Bezirksbürgermeister und Stadträte sitzen. Obwohl der Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf, in dem es um bodenständige Politik geht, wenig zu tun hat mit dem Glamour internationaler Filmstars wie Ralph Fiennes und Kate Winslet, wurde hier im Juni 2008 eine zentrale Szene der Verfilmung von Bernhard Schlinks „Der Vorleser“ gedreht.

„Es kamen ein paar Leute vorbei, guckten sich unseren Saal an, irgendwann kam auch der Regisseur, fand das wohl gut, und so kam es zu den Dreharbeiten“, erzählt Christina Camper, im Rathaus Zehlendorf zuständig für die Vermietung des Raums, der den Namen Bürgersaal trägt. Letztlich lagen zwischen Zehlendorf und großem Film gar keine Welten, denn an der Produktion war eine Filmfirma aus dem wenige Kilometer entfernten Studio Babelsberg beteiligt. Den Mitarbeitern gefiel offenbar vor allem die Holztäfelung des 1928 erbauten, fast zehn Meter hohen und in den 70er Jahren renovierten Saals.

Den Raum allein für die Politik zu reservieren wäre auch Verschwendung: In der Regel nur einmal im Monat, jeweils mittwochs um 17 Uhr, tagt das Bezirksparlament – Ausschüsse kommen eine Etage höher in einem kleineren Sitzungssaal zusammen. Für die BVV-Mitglieder werden zu den Sitzungen 55 Tische und Stühle aufgestellt, ebenso wie das Podium für den Bürgermeister und die Stadträte und ein paar Dutzend Stühle für Zuschauer. Da bleibt Zeit und Platz genug für andere Veranstaltungen wie Bälle und Parteitage.

Fast hätten die Dreharbeiten nicht nur dem Bezirk Geld eingebracht. Für das ursprünglich für die Dreharbeiten vorgesehene Wochenende hatten sich nämlich schon die örtlichen Schachfreunde eingebucht – lange vor den Filmleuten. Die boten, glaubt man Berichten der Beteiligten, eine nette Summe, damit der Verein ihnen den Saal überließ. Dass daraus nichts wurde, lag an Nicole Kidman. Der australische Star war als Hauptdarstellerin vorgesehen, wurde aber schwanger und sagte ab. Das verzögerte die Dreharbeiten und führte dazu, dass die Zehlendorfer Schachfreunde wie geplant spielen, nicht aber ihre Vereinskasse auffüllen konnten.

Statt Kidman spielte schließlich Winslet die Rolle einer früheren KZ-Aufseherin, die in dem zum Gerichtssaal umgewidmeten BVV-Saal angeklagt und verurteilt wird. Starrummel um die später für ihre Darstellung mit dem Oscar prämierte Mimin blieb aus. Verwaltungsmitarbeiterin Camper sagt jedenfalls: „Ich stand mit ihr im Aufzug – sie ist mir gar nicht aufgefallen.“ STA