: Rücktritt nach der 13.000-Euro-Kur
SCOTLAND YARD Polizeichef Stephenson legt sein Amt nieder. Polizei wird vorgeworfen, nicht ermittelt zu haben
VON RALF SOTSCHECK
Der britische Premierminister David Cameron bedauert den Rücktritt des Chefs von Scotland Yard, Paul Stephenson, im Zusammenhang mit dem Abhörskandal um die inzwischen eingestellte britische Boulevardzeitung News of the World. Dies sei ein „trauriger Moment für ihn“.
Paul Stephenson war am Sonntagabend zurückgetreten. Ihm sei das Ausmaß des Abhörskandals um die News of the World nicht klargewesen, sagte Stephenson.
Den Journalisten von News of the World wird vorgeworfen, mithilfe eines Privatdetektivs rund 4.000 Telefone prominenter Personen, aber auch Angehöriger von Verbrechensopfern und in Afghanistan getöteter britischer Soldaten angezapft zu haben. In den USA wird derzeit untersucht, ob auch die Familien der Terroropfer vom 11. September 2001 bespitzelt wurden.
Der Skandal schwelt bereits seit dem Jahr 2005. Der Polizei wird vorgeworfen, nicht ermittelt zu haben, obwohl ihr die Anfang des Monats durch die Tageszeitung The Guardian ans Licht gebrachten Details bereits seit damals bekannt waren. Zahlreiche Polizisten standen auf der Gehaltsliste des Boulevardblatts.
Stephenson hat sich einen Kuraufenthalt im Wert von umgerechnet 13.700 Euro von einem Spabetreiber spendieren lassen. Dessen Leiter für Öffentlichkeitsarbeit war Neill Wallis, der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der News of the World. Darüber hinaus hat Wallis bis September 2010 ein Jahr lang als PR-Berater für die Polizei gearbeitet. Er ist vorige Woche festgenommen worden.
Stephenson ist sich keines Fehlverhaltens bewusst. Er habe weder über die Einstellung von Wallis entschieden, noch von dessen Verstrickung in den Abhörskandal gewusst, beteuerte Großbritanniens ranghöchster Polizist.
Allerdings hat die Sunday Times, die ebenso wie die News of the World zum Medienkonzern von Rupert Murdoch gehört, vorgestern gemeldet, dass sich Stephenson seit 2006 mindestens 18-mal mit hochrangigen Managern aus Murdochs Konzern zum Essen getroffen habe.
26 Kontakte in 15 Monaten
Noch öfter war Premierminister David Cameron in Kontakt mit Murdoch oder seinen Topleuten, nämlich 26-mal seit seinem Amtsantritt vor 15 Monaten. Stephenson warnte den Premierminister in seiner Rücktrittsrede, dass er riskiere, durch seine enge Verbindung zu Andy Coulson kompromittiert zu werden. Unter dessen Chefredaktion fanden bei der News of the World die Handy-Bespitzelungen zum Teil statt, bevor er von Cameron als Berater eingestellt wurde. Von diesem Posten trat Coulson wegen der Affäre im Januar zurück.
Stephenson sagte, er nehme seinen Hut, weil er Cameron nicht über Wallis’ Arbeit für die Polizei informiert habe. Er wollte den Premierminister nicht damit belasten, weil Wallis ein Mitarbeiter von Coulson war und Cameron wegen seines ehemaligen Beraters schon genug ins Gerede gekommen sei. Scotland Yard hatte offensichtlich gehofft, durch Wallis’ und dessen Verbindung zu Coulson einen direkten Draht in die Machtzentrale zu bekommen.
Coulsons Vorgängerin bei der News of the World, Rebekah Brooks, ist am Sonntag verhaftet und verhört worden – sie ist bereits die zehnte Person, die im Zusammenhang mit dem Abhörskandal festgenommen worden ist. Am Abend kam sie gegen Kaution wieder frei. Brooks war am Freitag als Chefin von Murdochs britischem Imperium zurückgetreten. Am heutigen Dienstag sollte sie eigentlich mit Rupert Murdoch und seinem Sohn James vor einem Unterhausausschuss aussagen, doch möglicherweise kann sie sich nun davor drücken und auf die schwebenden Untersuchungen der Polizei gegen sie verweisen.
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