Zwei Hunde zum Essen

CALIFORNIA NOIR Nachwuchs here they come: Der US-Singer-Songwriter Avi Buffalo und sein verstörend muskulöses Folkrock-Album „At Best Cuckold“

So schnell kann’s gehen mit dem Erwachsenwerden: Vor vier Jahren schwärmte der damals 19-jährige Avi Zahner-Isenberg von der Knusprigkeit der Lippen eines Mädchens – und schuf eine dieser Textzeilen, die der Rezensentin wohl ewig im Gedächtnis bleiben werden: „You are tiny and your lips are like little pieces of bacon.“

Zu hören ist der wundervolle Vers auf „What’s In It For?“, einem der vielen tollen Songs auf dem Debütalbum seines Bandprojekts Avi Buffalo. Heute glaubt der Musiker, dass seine romantischen Ambitionen im günstigsten Fall dazu führen, dass er als „gehörnter Ehemann“ davonkommt. Das jedenfalls suggeriert „At Best Cuckold“, der Titel des neuen Albums.

Vielleicht meint er aber auch etwas ganz anderes: Zahner-Isenberg versteht sich darauf, Dinge in die Schwebe zu hieven und Ambivalenzen zu schaffen. 2010 war besagtes Debüt namens „Avi Buffalo“ erschienen: Filigraner, leicht melancholischer Westküsten-Gitarrenpop, zu dem Zahner-Isenberg mit seiner metallisch-harten und zugleich spröden Falsettstimme von spätpubertären Nöten sang. Das kann leicht in die Hose gehen.

Doch im Fall von Avi Buffalo entwickelten diese Einblicke einen eigenen Charme, der unbeholfen naiv, aber eigenwillig selbstbewusst war. Auf das Album folgte eine lange Funkstille. Immer mal wieder geisterte die Frage durch die einschlägigen Blogs, was eigentlich aus dieser vielversprechenden jungen Band geworden ist. Nun, Zahner-Isenberg hat sich offensichtlich Zeit genommen, seine Songwriting-Skills um einige Ebenen zu erweitern „At Best Cuckold“ liefert Einblicke in sein Seelenleben, die noch weniger ausgebremst sind als auf dem Debüt.

Besonders in der zweiten Hälfte des Albums haben die Texte eine ziemlich düstere, abgründige Dimension. „Couple nights ago / I ran over two dogs /Then I ate them afterwards“ croont er etwa in dem halluzinatorischen „Think It’s Gonna Happen Again“. Das Ergebnis ist eine ganz eigene Form von California Noir, der sich unter einer Schicht Puderzucker versteckt. Der Sound ist auf diesem zweiten Album muskulöser als auf dem Debüt, manchmal kreischen sogar die Gitarren.

Doch die Songs sind immer noch im besten Sinne schwebend und besitzen eine flirrende Leichtigkeit. Und sie sind von Melodien getragen, die an den zu früh verstorbenen Elliott Smith erinnern. An Stelle des jugendlichen Charmes, der einen bei diesem zweiten Album logischerweise nicht mehr ganz so direkt anspringt, ist etwas Neues getreten: Magische, bisweilen gespenstische Räume und Bilder, die im Kopf des Zuhörers entstehen – zwischen dem, was Zahner-Isenberg ausspricht, und dem, was er nur andeutet.

STEPHANIE GRIMM

■ Avi Buffalo: „At Best Cuckold“ (Sub Pop/Cargo)