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Archiv-Artikel

„Wir kämpfen um jeden Baum“

Im Streit um die geplanten Abholzungen am Landwehrkanal hat das Wasseramt zu spät reagiert, sagt Winfried Lücking vom BUND. Die Ufer könnte man auch sanieren, ohne Bäume fällen zu müssen

WINFRIED LÜCKING, 56, lebt in Berlin und ist beim BUND zuständig für Gewässerpolitik und Binnenschifffahrt.

INTERVIEW UWE RADA

taz: Herr Lücking, im Streit um die Sanierung der Uferbereiche am Landwehrkanal wurden weitere Baumfällungen vorerst verhindert. Eine Lösung ist aber noch nicht in Sicht. Worum geht es bei diesem Streit eigentlich?

Winfried Lücking: Es geht darum, dass dieser Kanal ziemlich baufällig ist. Er ist über 100 Jahre alt. Aufgrund der starken Nutzung durch die Personenschifffahrt ist der Schaden weiter vorangeschritten.

Warum?

Die Zahl der Schiffe wurde seit der Wende immer größer, das Gleiche gilt für die Schiffe selbst und die Motorisierung.

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) erweckt den Eindruck, als wäre der Schaden erst jetzt aufgefallen.

Das WSA hätte von dem Schaden seit 1992 wissen müssen. Damals ist die Zuständigkeit für die Spree und den Landwehrkanal vom Senat auf den Bund übertragen worden. Auch alle Unterlagen wurden übergeben. Das Problem war bekannt. Das WSA hätte schon damals reagieren müssen.

Nun fordert der Chef des WSA, Hartmut Brockelmann, die Fällung von 200 Bäumen. Damit soll alleine die Verkehrssicherheit wieder hergestellt werden. Die maroden Uferwände wären so noch nicht saniert.

Es geht tatsächlich um zwei Dinge. Zum einen muss man schnell reagieren, damit keine Bäume ins Wasser und auf die Uferwege kippen. Zum Zweiten muss das ganze Ufer erneuert werden. Wie viele Bäume da gefällt werden sollen, können wir nur vermuten. In einer ersten Stellungnahme hat Herr Brockelmann gesagt, dass alle Bäume auf einer Breite von zehn Metern weg müssen. Jetzt sind es nur noch drei bis vier Meter.

Wie viele Bäume wären das?

Das können Sie sich vorstellen: Es wäre das gesamte Kanalufer auf beiden Seiten.

Bevor der Senat die Berliner Gewässer unter die Obhut des WSA gestellt hat, wurde im Bereich der Potsdamer Brücke ein Stück Landwehrkanal von der Verkehrsverwaltung behutsam saniert. Scheinbar gibt es also doch Alternativen.

Es gab da zwei verschiedene Methoden. Bei der einen hat man eine Bohrpfahlwand gesetzt, meines Wissens aus Holz, um das Ufer zu befestigen. Bei der anderen wurden hinter den Steinmauern Spundwände eingerammt, an die die Steine wieder aufgehängt wurden.

Ohne Bäume zu fällen? Gerade für diese Methode verlangt das WSA Baufreiheit.

Einzelne Bäume mussten auch da gefällt werden. Meistens aber hat es ausgereicht, dort, wo ein Baum der Ramme im Weg stand, die Krone zu beschneiden.

Warum ist das WSA nicht in der Lage, mit allen Beteiligten zusammen zu einer ähnlichen Lösung zu kommen?

Das ist eine gute Frage. Die haben wir schon vor fünf Jahren gestellt, als es um Fällungen am Salzufer ging. Offenbar scheint es in dieser Bundesbehörde keine große Bereitschaft zu geben, mit den Bürgern zusammenzuarbeiten.

Das WSA hat den Landwehrkanal bis aus Weiteres für die Fahrgastschifffahrt gesperrt. Werden die Reedereien nun als Druckmittel benutzt, um doch noch Fällungen durchzusetzen? Immerhin geht es auch um Arbeitsplätze.

Ich finde dieses Vorgehen unverantwortlich. Auch, weil es eine Abmachung zwischen dem WSA und den Bezirken gab. Derzufolge sollte bis vergangenen Freitag eine Liste der Bäume vorgelegt werden, die zur Disposition stehen. Anschließend sollte auf einer Befahrung mit den Bezirken geklärt werden, welche Bäume gefällt werden und welche nicht. Danach hätte die Schifffahrt wieder eingeschränkt aufgenommen werden können. Diese Vereinbarung hat Herr Brockelmann einseitig aufgekündigt, indem er genau an diesem Freitag mit den Fällungen begonnen hat.

Weitere Fällungen haben Berliner Bürger inzwischen verhindert. Wie geht es weiter?

Im Moment sind ja nicht nur die Fällungen gestoppt. Auch der Schiffsverkehr ruht. Wir haben keine weiteren Informationen, wie Herr Brockelmann weiter verfahren will. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass an der alten Abmachung festgehalten werden muss. Darüber hinaus fordern wir, dass ein runder Tisch eingerichtet wird, um die Entscheidungsprozesse auch transparent zu machen.

Fürchten Sie, dass es am Ende heißt: Uferbäume oder Fahrgastschifffahrt?

Wir setzen uns für jeden Baum ein. Es muss eine Lösung geben, die beides ermöglicht.