: Minarette weiten den Blick
Ein Studie untersucht den Streit über die Moschee in Heinersdorf. Nicht Massenveranstaltungen entschärfen den Konflikt, sondern der Dialog mit Einzelnen. Gegner kündigen Demonstration an
VON FELIX LEE
Der Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde in Pankow-Heinersdorf hat mit ersten Vermessungsarbeiten begonnen. Doch damit ist der Streit noch lange nicht beigelegt. Im Gegenteil: Die Moschee-Gegner, die sich zur „Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger“ (IPAHB) zusammengeschlossen haben, wettern eifrig weiter. „Beginnen die Bauarbeiten, wird die IPAHB eine weitere Protestdemonstration organisieren“, schreiben sie auf ihrer Webseite.
Nun hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) zusammen mit der Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit „Moskito“ eine Studie erstellt, die Handlungsstrategien im Umgang mit uneinsichtigen Moscheegegnern enthält. Die Untersuchung, die der taz vorliegt, zeigt, wie wichtig es ist, dass sich die Kommune frühzeitig in die Debatte einschaltet. Nicht die Abwarteposition entschärfe den Konflikt, sondern der Dialog, resümiert die Mitverfasserin Esther Lehnert vom MBR. Heute wird die Studie auf einer Fachtagung vorgestellt.
Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde hatte im April 2005 eine Bauanfrage für die Tiniusstraße gestellt, um für ihre berlinweit 250 Mitglieder eine zweistöckige Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett zu errichten. Der Streit eskalierte, als der Bezirk Pankow im März 2006 zu einer Bürgerversammlung einlud. Statt der erwarteten 500 strömten mehr als doppelt so viele in die Heinersdorfer Turnhalle. Es kam zu Pöbeleien und rassistischen Anfeindungen. Die Vertreter der Ahmadiya-Gemeinde mussten die Halle unter Polizeischutz verlassen. Kurz zuvor hatte sich die IPAHB gegründet, die von der Pankower CDU unterstützt wird. Auch Rechtsextremisten hatten sich in den Protest eingebracht.
In der Studie haben sich die Verfasser ausführlich mit den Argumenten der Moscheegegner beschäftigt. Sie schildern, in welchem gesellschaftlichem Umfeld die Gegner sich etablieren konnten. Anhand von Fallbeispielen aus anderen Kommunen haben sie Vorschläge für Heinersdorf entwickelt.
Unter anderem empfehlen sie, ein zivilgesellschaftliches Gremium, etwa einen Stadtteilausschuss, einzurichten, um Bürger aufzuklären. Statt großer Bürgerversammlungen plädieren sie dafür, Einzelne gezielt anzusprechen und auf deren Fähigkeiten als Multiplikatoren zu setzen. Zudem raten sie zu interreligiösen Veranstaltungen, um Berührungsängste abzubauen.
„Der Bezirk Pankow hat nicht völlig falsch gehandelt“, sagte Lehnert der taz. Spätestens nach dem Debakel in der Turnhalle habe er erkannt, wie sehr ein solcher Protest das Zusammenleben gefährden kann. Wahrscheinlich wäre es jedoch besser gewesen, zu kleineren Veranstaltungen einzuladen, so Lehnert. Einen anderen Ort für den Bau lehnt sie ab: Schließlich gehe es auch darum, zu zeigen, dass ganz Berlin Hauptstadt eines Einwanderungslandes ist.