piwik no script img

Archiv-Artikel

Aus für deutsche Dschihad-Seiten

TERROR Lange haben die Behörden zugesehen, jetzt werden in kurzer Zeit zwei mutmaßliche Betreiber deutscher Dschihad-Websites festgenommen. Sie texteten zum Beispiel: Juden, schmort in der Hölle

Auch der Frankfurter Todesschütze Arid U. war beeinflusst von Dschihad-Propaganda

BERLIN taz | Am Mittwoch gab es noch mal neues Material für die Brüder und Schwestern im Kampf gegen die Ungläubigen. Da stellten die Macher des deutschen Dschihad-Blogs „Islambrüderschaft“ die jüngste Ausgabe der al-Qaida-nahen Terrorpostille „Inspire“ auf ihre Seite. Auf der rechten Seite des Blogs prangte ein Logo mit einem durchgestrichenem Davidstern: „Jews, rot in hell.“ Juden, schmort in der Hölle.

Ein Jahr war die Hetzseite online, jetzt hat die Polizei den mutmaßlichen Betreiber von islambruederschaft.com im Raum Kassel festgenommen. Seit Donnerstag sitzt der 21-jährige Omid H. in Untersuchungshaft. Nach Informationen der taz war er der Hauptautor der inzwischen nicht mehr zu erreichenden Seite und soll dort Videos und Texte unter dem Pseudonym „Mustafa al-Farsi“ gepostet haben.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hält Omid H. für dringend verdächtig, seit Juli 2010 in gut 20 Fällen um Mitglieder oder Unterstützer für al-Qaida und andere Terrorgruppen geworben zu haben. In Nordrhein-Westfalen ließ die Anklagebehörde außerdem die Wohnungen zweier weiterer Beschuldigter durchsuchen, die aber offenbar eine untergeordnete Rolle spielen.

Bauplan für Sprengstoff

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit haben die Sicherheitsbehörden somit einen mutmaßlichen Macher einer deutschen Dschihad-Propaganda-Seite festgenommen. Erst Ende Juni war in Schleswig-Holstein der 19-jährige Harry M. verhaftet worden, der sich selbst „Isa al-Khattab“ nannte. Ohne ein großes Geheimnis daraus zu machen, hatte er von Neumünster aus die Internetseite „Islamic Hacker Union“ betrieben – und postete dort neben kruden Drohtexten und Terrorvideos auch Sprengstoffbastelanleitungen. Und nicht nur das: Der junge Radikale stellte seine Handynummer ins Netz und gab Journalisten Interviews – noch am Tag vor seiner Festnahme plauderte er mit einem SWR-Mann.

Ganz so unvorsichtig waren die Macher von „Islambrüderschaft“ nicht, trotzdem sind sie jetzt aufgeflogen. Auf ihrem Blog wurden neben Al-Qaida-Propaganda vor allem deutschsprachige Botschaften und Videos der im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet agierenden Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU) veröffentlicht. Als Sprecher treten in den Videos der Terrorgruppe immer wieder die beiden Bonner Brüder Yassin und Mounir Chouka auf, die manchen in der deutschen Dschihadszene als Idole gelten.

Auch in dem sozialen Netzwerk Facebook waren „Mustafa al-Farsi“ und die „Islambrüderschaft“ unterwegs – noch vergangene Woche wurden dort sogar Freiwillige zum Übersetzen gesucht. Anders als die Blogseite waren die Facebook-Accounts am Freitag zunächst noch online.

Dass die deutschen Behörden nach längerem Zusehen nun offensiv gegen die Dschihadseiten vorgehen, könnte auch mit dem Attentat am Frankfurter Flughafen am 2. März dieses Jahres zusammenhängen. Der 21-jährige Todesschütze Arid U., der inzwischen angeklagt ist, zwei US-Soldaten ermordet zu haben, war stark beeinflusst von dschihadistischer Propaganda aus dem Internet. Dutzende solcher Dateien sollen sich auf seinen Rechnern und seinem iPod befunden haben.

Nach Informationen der taz haben die Ermittler auch herausgefunden, dass sich Arid U. Ende Januar von der Seite islambruederschaft.com ein Video der IBU heruntergeladen hatte, in dem Kämpfer der Terrorgruppe die abgetrennten Köpfe gegnerischer Soldaten in die Kamera halten. Titel: „Frohe Botschaft aus Pakistan“. Noch auf dem Weg zum Attentat soll sich Arid U. ein Lied des Bonner IBU-Aktivisten Mounir Chouka auf seinem iPod angehört haben. Der Text: „Mutter, bleibe standhaft, dein Sohn ist im Dschihad.“ WOLF SCHMIDT