Archetypen unterwegs

ROAD SHOW Digger Barnes und Pencil Quincy präsentieren in Bremen die Fortsetzung ihrer „Diamond Road Show“. Im „Diamond Motel“ haben sie einen prominenten Gast

VON ANDREAS SCHNELL

Er kommt aus Hamburg. Und er spielt Country. Aber mit Truck Stop hat Digger Barnes neben diesen oberflächlichen Äußerlichkeiten wirklich nichts gemein. Eigentlich kommt er eher aus der Punk-Szene. Und, kaum überraschend, heißt er auch nicht wirklich Digger Barnes, sondern Kay Buchheim. Den Künstlernamen borgte er sich von einer Figur aus der Fernsehserie „Dallas“ aus. Dort war Digger Barnes einst Gegenspieler des Ewing-Clans, sein Sohn Cliff ein ewiger Verlierer, Digger, der Patriarch, ebenfalls kein strahlender Held, aber mit Herz. Womit ikonische Populärkultur und das Bild des sympathischen Verlierers als etabliert gelten dürften, die in Barnes’ Schaffen eine wichtige Rolle spielen.

Der Fernseh-Digger-Barnes erlag schließlich dem Trunk. Der Musiker Digger Barnes ist dagegen putzmunter. In den vergangenen Wochen war er gleich mehrfach in der Schwankhalle zu sehen: mit einem Solo-Konzert, in den Theaterstücken „Monarch“ und „Krieg“, für die er auch Musik schrieb, und nicht zuletzt mit der „Diamond Road Show“, die er mit seinem Langzeitpartner, dem Maler und Videokünstler Pencil Quincy (alias Raoul Doré) schon im vergangenen Jahr präsentierte.

Gemeinsam sind sie schon lange auf dieser audiovisuellen Reise durch karge Landschaften, vorbei an tristen Vorstädten, verschrobenen Typen in schmuddeligen Tankstellen, Motels und Bars. Digger Barnes gibt dabei den „Lonesome Traveller“ mit dezent bärbeißigem Charme, erzählt Geschichten und liefert mit einem Country-Noir den Soundtrack zu den Bildwelten seines Compagnons, der mit seiner „Magic Machine“ vor scheinbar endlosen Horizonten Bilder vorüberziehen lässt, die an alte Filme erinnern, überzogen mit der Patina der Zeit und bevölkert von Archetypen der Popkultur, beinahe naiv im Duktus, aber zugleich auch wehmütiges Zitat, wie die Songs von Barnes, von denen gerade wieder ein Album erschienen ist, das dritte schon. „Frame By Frame“ (erschienen bei Hometown Caravan/Barnes & Quincy/Cargo) heißt es, die cineastischen Aspekte der Unternehmung fest im Blick.

Songtitel wie „Soon I Will Hold You Again“, „Way Of The Rover“ und „A Million Miles“ machen wiederum keinen Hehl aus ihrer romantischen Disposition. Von Barnes mit knurrigem Bariton und amerikanischem Akzent gesungen, untermalt mit Gitarre, Banjo, Steel-Gitarre, aber auch mit Hammondorgel, Mellotron und Akkordeon, verweigern sie sich dabei allzu strikten Country-Auslegungen. Vielmehr empfehlen sie sich – mit gelegentlichen Parallelen zu Bands wie Calexico – als sogenannte Americana.

Die Namen seiner Mitmusiker sind dabei so klingend wie der Albumtitel vielsagend ist: Johnny Latebloom, Knuckels McBain, Mosquito Hopkins – man darf annehmen, dass sie nicht wirklich so heißen, im Sinne einer höheren Wahrheit hingegen aber wohl doch wieder. Einige der Songs waren schon im Rahmen der „Diamond Road Show“ zu hören, die in der kommenden Woche nun eine Fortsetzung mit dem „Diamond Motel“ erlebt.

Was natürlich nur temporäre Station sein kann, ein Heim fern der Heimat, bei der wiederum die Frage ist, ob es sich bei ihr weniger um einen konkreten Ort als um einen Zustand handelt, nämlich den des Unterwegsseins. Die alten Country- und Bluessänger haben diese Frage bekanntlich längst in diesem Sinne für sich beantwortet.

Zu Gast in dieser Herberge am Rande der metaphorischen Straße ist der große Franz Dobler, der, sozusagen zur Einstimmung, schon am heutigen Samstagabend in der Schwankhalle gastiert. Dobler ist Americana-Sujets mehr als nur ein bisschen zugetan und deshalb als Gast im „Diamond Motel“ mindestens Idealbesetzung.

Der in Augsburg lebende Schriftsteller, Journalist und DJ schrieb jahrelang für die Junge Welt eine Country-Kolumne, veröffentlichte 2002 seine Johnny-Cash-Biografie „The Beast In Me“ und gab die CD „A Boy Named Sue – Johnny Cash Revisited“ für das Münchner Label Trikont heraus. In der Schwankhalle liest Dobler aus seinem neuen Buch „Ein Bulle im Zug“, das zwar nicht im mythenumrankten Westen spielt, die allerdings uramerikanischen Genres der Road-Literatur und des Hardboiled-Krimi vereint und auf deutsche Verhältnisse überträgt.

■ Lesung mit Franz Dobler: heute (Samstag), 19.30 Uhr; Premiere „Diamond Road Show“: Freitag, 28. 11., 20 Uhr, auch am 29. 11., 20 Uhr, Schwankhalle