: Jetzt geht wieder alles von vorne losUnklare Verhältnisse
FUSSBALL-BUNDESLIGA Nächste Woche beginnt die neue Saison – aber wie steht es eigentlich um die vier Erstligisten aus dem Norden? Ein Überblick
Dies ist nur ein Zwischenbericht, dennoch ist beim Hamburger SV vieles unklar. Etwa wer in der Innenverteidigung spielt, da Jeffrey Bruma, 19 Jahre, ausgeliehen vom FC Chelsea, an der Achillessehne verletzt ist. Links ist Dennis Aogo gesetzt, er hat Marcell Jansen verdrängt, rechts spielt Dennis Diekmeier, der Guy Demel verdrängt hat. Es kann sein, dass Demel und Jansen den Verein verlassen. Sie haben Zeit bei Ende August.
Unklar ist auch, wer das defensive Mittelfeld bildet: Spielt Bruma neben seinem Kumpel Michael Mancienne, 23, ausgebildet beim FC Chelsea, Vierjahresvertrag beim HSV, rückt Heiko Westermann ins Mittelfeld. Und schiebt dort entweder David Jarolim aus dem Team, einen der wenigen älteren Spieler, der nach dem Umbruch noch da ist (was nicht alle Beobachter verstehen), oder Gojko Kacar.
Klar scheint, dass HSV-Trainer Michael Oenning zwei defensive Mittelfeldspieler haben will, drei offensive davor und einen Stürmer. Links im Mittelfeld Eljero Elia, rechts Gökhan Töre, 19, geboren in Köln, ausgebildet beim FC Chelsea, Dreijahresvertrag beim HSV. Romeo Castelen ist noch nicht fit, Jacopo Sala, 19, verletzt.
Oenning brachte im zentralen offensiven Mittelfeld Änis Ben-Hatira, der HSV sucht noch einen Spieler für diese Position und würde gerne Per Skjelbred holen, 24, derzeit noch bei Rosenborg Trondheim. Und noch lieber Nicklas Bendtner, 23, Däne, vom FC Arsenal an den FC Birmingham ausgeliehen.
Früher, als der HSV Geld hatte, fehlte das Know-how, heute ist mit Sportchef Frank Arnesen Know-how da – aber kein Geld. Um Meister zu werden, muss alles passen.
In den Vorbereitungsspielen stürmte Son Heung-min, 19, der, wie in der vergangenen Saison, eine gute Frühform hatte. Mladen Petric ist noch nicht fit, Paolo Guerrero kickte, ziemlich erfolgreich, bei der Copa América für Peru: am Samstag gegen Venezuela um Platz drei. Es ist nicht klar, wer im Tor steht, denn Jaroslav Drobny fiel aus und Tom Mickel hielt gut. So ist unklar, ob es eine schwere Saison wird. Manche sprechen von einer „Wundertüte“ und das erste Spiel ist auswärts gegen Dortmund. ROR
Allerbeste Ausgangslage
Er kann nicht anders. Das Lächeln von Präsident Martin Kind bleibt ein kontrolliertes. Auf Hannover 96 wartet eine schöne Saison mit DFB-Pokal, Bundesliga und Europa League zugleich. Dass für den Ligaalltag schon mehr als 23.500 Dauerkarten verkauft worden sind, krönt den überragenden 4. Tabellenplatz der vergangenen Spielzeit. Trotzdem setzt Kind, im richtigen Leben ein erfolgreicher Kaufmann, gleich die nächsten Ziele: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt der 67-Jährige, der Hannover 96 trotz finanziell eher bescheidener Möglichkeiten auf Dauer zu einer Marke des bezahlten Fußballs machen will.
19 Jahre Abstinenz im internationalen Geschäft machen neugierig. Die Vorfreude der Fans auf die Auslosung des 96-Gegners in der Europa League am 5. August ist mindestens so groß wie der Heißhunger auf die neue Saison. Trainer Mirko Slomka darf bei dem Versuch, dem Höhenflug in der Tabelle keinen Absturz folgen zu lassen, auf erstaunlich Solides zurückgreifen. Vom Erfolgsteam der „Roten“ ist mit Florian Fromlowitz (MSV Duisburg) nur der Ersatztorhüter verloren gegangen. Und mit dem Norweger Henning Hauger (Stabeak IF), Artur Sobiech (Polonia Warschau) sowie dem früheren Nationalspieler Christian Pander (Schalke 04) als wichtigsten Neuzugängen hat Geschäftsführer Jörg Schmadtke seine defensive Personalpolitik fortgesetzt. Vom wenigen Geld möglichst nichts auszugeben, das bleibt die Maxime von 96-Boss Kind, die zuletzt mit unverschämt viel Erfolg belohnt wurde.
Auch die Stimmung in der Mannschaft könnte kaum besser sein. Der Friede zwischen Slomka und Schmadtke, diesen völlig grundverschiedenen Typen, hält.
Man kann sich über die Ausgangsposition von Hannover 96 freuen – oder sie als Anlass zur Sorge nehmen. Am kommenden Sonntag geht es in der 1. Runde des DFB-Pokals zum Fünftligisten Anker Wismar. Wer Spiele wie diese, in denen der Favorit nur verlieren kann, souverän gewinnt, ist für die Saison wirklich gut gerüstet. Wer dagegen glaubt, als Emporkömmling der Bundesliga und Teil der Europa League sei man etwas Besonderes, gerät schnell ins Stolpern.
Slomkas wichtigste Aufgabe bleibt daher: Er muss verhindern, dass sich seine stolzen Hannoveraner in Selbstgefälligkeit verlieren. CHRISTIAN OTTO
Schlagzeilen im Sommerloch
Es gibt keinen vergleichbaren Fall, dass eine Mannschaft so belastet in die Saison geht“, sagt Werder Bremens Edel-Fan Rudolf Hickel. „Es scheint ja fast vorprogrammiert, dass die Saison wieder nicht gut wird“, sagt der Ökonom.
Leere Kassen, Ränkespiele zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung, eine dauerverletzte Abwehrkette, die weiche Leiste des Hoffnungsträgers Ekici, Abwanderungsgedanken bei Wiese, Marin und Pizarro: Die Depression, die Werder im letzten Jahr schleichend befiel, ist durch den erfolgreichen Abstiegskampf nicht verflogen, sondern chronisch geworden.
All das regelt der Verein nicht in der jahrzehntelang geübten Ruhe und Gelassenheit. Sondern er liefert die Schlagzeilen fürs Sommerloch, für die früher Schalke oder der HSV zuständig waren. Die Äußerungen von Aufsichtsratschef Willi Lemke, Trainer Thomas Schaaf und Geschäftsführer Klaus Allofs lesen sich teilweise so, als würden jetzt schon „Schwarze Peter“ für den Fall verteilt, dass wieder nur Mittelmaß drin ist. Die schwache Außendarstellung nutzt Ex-Präsident Jürgen L. Born, um alte Rechnungen mit Lemke zu begleichen. „Das ist kein Hauskrach, das ist eine griechische Tragödie“, sorgt sich nicht nur Hickel.
Dabei zeigt der neue Kader, dass mit dem versprochenen sportlichen Umbruch ernst gemacht wird: Mit Papastathopoulos, Schmitz und Trybull wurden gute junge Leute verpflichtet, Ekici könnte Werders Spielmachertradition fortsetzen, die talentierten Eigengewächse Trinks und Thy trumpfen in der Vorbereitung auf. Wenn dazu Wesley und Arnautovic endlich ihr Leistungsvermögen abrufen, Mertesacker und Pizarro bald wieder fit sind und von weiteren schweren Verletzungen verschont bleiben, könnte der 13. Platz aus der Vorsaison ein einmaliger Ausrutscher bleiben.
Das sind allerdings ein paar Wenns zu viel für eine Mannschaft, die unbedingt einen europäischen Wettbewerb erreichen muss, um bezahlbar zu bleiben. Misslingt das, sind Ende der Saison nicht nur Mertesacker, Wiese, Marin und Pizarro weg, sondern auch Schaaf und Allofs, deren Verträge auslaufen. Kommt Werder aber wieder unter die ersten fünf, sollten alle Unkenrufer Thomas Schaaf persönlich auf den Trainerolymp tragen. RLO
Neuaufbau mit fleißigen Kräften
Es kommt tatsächlich vor, dass der Manager und Geschäftsführer Felix Magath dem Trainer Felix Magath Vorschriften macht. Bei Christian Träsch etwa, dem jüngsten Neuzugang des VfL Wolfsburg, war es dem Alleinherrscher des ambitionierten Fußball-Bundesligisten äußerst wichtig, dass nicht mehr als zehn Millionen Euro Ablösesumme an den VfB Stuttgart überwiesen werden. Acht Millionen werden es wohl geworden sein. Was sich vernünftig anhört, ist Teil einer neuen Salami-Taktik, die ein wenig nach Bescheidenheit duften soll.
Denn natürlich hat der vermögende VfL wieder tüchtig eingekauft. Aber zweistellige Buchungsposten will Magath erst dann wieder absegnen, wenn er sich seines größten Kostenfaktors entledigt hat: Der Brasilianer Diego ist nach diversen Eskapaden nicht mehr erwünscht. Doch erst, wenn sich ein Verein gefunden hat, der mehr als 10 Millionen Euro für den Großverdiener überweist, will Magath sich einen neuen Spielmacher gönnen.
Dass Diego also weiterhin in Wolfsburg trainiert, aber nicht mehr zum Einsatz kommt, ist Teil einer kuriosen Personalpolitik: Magath ist bereit, an einem Profi, der seine Kollegen im entscheidenden Saisonspiel mimosenhaft im Stich gelassen hatte, ein Exempel zu statuieren. Zur Not werde man, da bleibt der VfL-Boss seiner Linie treu, den Ungeliebten eben behalten – und einfach nicht mehr einsetzen.
Was Magath bei einem Verein versucht, der trotz immens hoher Investitionen um ein Haar abgestiegen wäre, ist ein Neuaufbau mit fleißigen Kräften: Vor Träsch hatte der VfL schon Patrick Ochs, Marco Russ (beide Eintracht Frankfurt) und Hasan Salihamidzic (Juventus Turin) verpflichtet. Für diese Profis gilt wie für Torjäger Srdjan Lakic, den Magaths Vorgänger Dieter Hoeneß dem 1. FC Kaiserlautern abgekauft hatte: Sie zählen zur Kategorie strebsam, lauffreudig und teamorientiert.
Damit wieder ein Kollektiv entsteht, mit dem sich die „Wölfe“-Fans identifizieren, verlangt Magath absolute Unterordnung. „Der Trainer will, dass wir nicht an uns, sondern nur an die Mannschaft denken“, sagt der Japaner Makoto Hasebe, der als Mittelfeldspieler und Fleißbiene gerade einen neuen Dreijahresvertrag bekam.
Star in Wolfsburg sind das Team – und Magath. Seinem Scheitern bei Schalke 04 will der 57-Jährige eine neue Wolfsburger Erfolgsgeschichte folgen lassen. Dass mehrere einstellige Ablösesummen zusammengerechnet zweistellig sind, wird dabei helfen. CHRISTIAN OTTO