: „Das Thema scheint den Nerv zu treffen“
Warum Hamburg eines von weltweit acht „Live Earth“-Konzerten ausrichten darf, wie ein Pop-Großereignis überhaupt klimafreundlich sein kann und weshalb die Stadt in jedem Fall davon profitiert: Ein Gespräch mit Frank Ehrich, Pressesprecher
FRANK EHRICH, 35, Journalist und Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur, leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Live-Earth-Konzert in Hamburg.
taz: Herr Ehrich, warum hat Hamburg den Zuschlag erhalten, eines von weltweit acht „Live Earth“-Konzerten veranstalten zu dürfen?
Frank Ehrich: Diese Frage müsste man eigentlich den Verantwortlichen in Los Angeles stellen. Den Ausschlag gab, dass das Gesamtkonzept Hamburgs bei der Präsentation das beste war. Entscheidend war das Engagement der Hamburger; dass sie in internationalen Großveranstaltungen erfahren sind; dass Hamburg europaweit als Musikstadt bekannt und beim Klimaschutz vorne ist.
Hat die Stadt Geld gezahlt?
Nein. Die Rechte der Veranstaltung gehen an Hamburg. Die Stadt muss das Konzert über Einnahmen und Sponsoren refinanzieren. Die Überschüsse gehen komplett an Live Earth, die Organisation in Los Angeles, und die „Alliance for Climate Protection“.
Was macht die damit?
Die unterstützt Umweltorganisationen und will die Nachhaltigkeit der Kampagne von Live Earth sichern.
Die ist eine bewusstseinsbildende Kampagne, eine Werbekampagne.
Genau. Die Künstler erhalten alle ein Handbuch, in dem steht, wie sie sich im Alltag verhalten können und wie sie bei ihren Konzerten darauf achten können, dass sie etwas besser machen in Sachen Klimaschutz.
Wie sieht denn die Klimabilanz des Konzerts aus? Es sollen ja Besucher aus halb Europa anreisen, dazu die Künstler mit ihrem Tross – ist das klimafreundlich?
Es gibt halt gewisse Dinge, die gemacht werden müssen und die man nicht vermeiden kann. Den Künstlern wird aber nahe gelegt, zum Beispiel Linienflüge zu benutzen und nicht Privatjets.
Halten die sich daran?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das müssen die Künstler selbst entscheiden. Wir können sie nur darauf hinweisen. Live Earth hat eine Green Bible herausgegeben, in der grüne Standards definiert sind, die wir umsetzen sollen.
Was steht da drin?
Das ist für uns Deutsche fast schon wieder lächerlich, weil wir im Umweltschutz ganz weit vorne sind. Wir hatten einen Nachhaltigkeitsbeauftragten aus Los Angeles hier, John Rego. Der hat unser Stadion kontrolliert und war ganz baff: Wir haben Mülltrennung. Es kommt Fernwärme aus dem Biogaswerk im Stadtteil Stellingen. Das Wasser zum Berieseln und Reinigen des Stadions stammt aus eigenen Brunnen. Live Earth kontrolliert außerdem, woher die Verpflegung im Stadion kommt: dass wir nicht Weißwürste ausgeben, die aus München herbeigekarrt wurden. Das gleiche gilt für die Werbung. Der Aufwand für Plakate und Faltblätter soll sich in Grenzen halten. Wir haben 14 Großflächenplakate gemacht. Die nehmen wir nächste Woche ab und machen daraus Taschen. Die Tickets sind aus umweltfreundlichem Papier. Wir zahlen 30 Cent pro Ticket als CO2-Abgabe.
Das bezieht sich aber nur auf die Verschlechterung der CO 2 -Bilanz durch die Herstellung der Tickets. Warum haben Sie nicht versucht, mit einem Zuschlag zum Ticketpreis den gesamten Klimaschaden auszugleichen, der durch das Konzert entsteht?
Das wird ja auf eine gewisse Art gemacht. Wenn alle Tickets kaufen, haben wir eine ganze Menge Geld übrig, das dafür genutzt wird.
Aber nicht direkt, sondern eben in Form der Kampagne.
Ja.
Sie haben sehr viele Partner aus der Wirtschaft und aus dem Bereich öffentlicher Institutionen. Es sind aber nur wenige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dabei. Woran liegt das?
Wir haben unzählige Anfragen von Nichtregierungsorganisationen, etwa Greenpeace. Es war klar, dass wir die einbinden wollen. Klar ist aber auch: Wir können nicht alle auf die Bühne lassen, sonst hätten wir kein Konzert mehr. Stellvertretend für alle NGOs werden wir die Konzepte des WWF und des World Future Council auf der Bühne umsetzen.
Was passiert, wenn nicht genügend Zuschauer kommen und das Ganze mit einem Defizit endet?
Ich gehe davon aus, dass genügend Zuschauer kommen. Wir waren uns alle bewusst, dass wir extrem spät den Zuschlag erhielten und haben deshalb sehr spät mit der Werbung begonnen. Unsere Medienpartner unter den Radiostationen trailern seit einer Woche. Ich habe viele Veranstaltungen betreut und es lange nicht erlebt, dass sich alle so intensiv damit beschäftigen. Das Thema scheint gerade den Nerv der Leute zu treffen.
Wer würde das Defizit tragen, wenn es eines gäbe?
Der Veranstalter.
Also Hamburg Marketing – und damit die Stadt.
Man muss sich überlegen, was in diesem Zusammenhang „Defizit“ bedeutet? Mit diesem Konzert ist Hamburg weltweit präsent. Das ist eigentlich mit Geld gar nicht zu bezahlen.
INTERVIEW: GERNOT KNÖDLER