BEI EISERN UNION
: Mehr Spaß im Osten

Mit der Bratwurst begebe ich mich stracks in die Fankurve

Die Zone ist tatsächlich fast so deprimierend wie damals vor dreißig Jahren, als ich das letzte Mal drüben war und die Zone noch Zone genannt werden durfte. Aber ich will ja zum Glück nur in die alte Försterei, zum Stadion des FC Union.

Ich wate durch einen Wald mit feuchtem Waldboden, der vermutlich von den Leuten herrührt, die links und rechts des Weges stehen und ihr Wasser abschlagen. Mit einer Bratwurst begebe ich mich stracks in die Fankurve, obwohl die gar keine Kurve ist und ich gar kein Fan bin. Der Stadionsprecher sagt gerade: „Gibt es Leute unter euch, die noch Zeitung lesen?“ Es herrscht betretenes Schweigen, als würden sich die Leute ertappt fühlen. Der Vereinspräsident hat seinen Wehrdienst bei der Stasi abgeleistet. Na und? Alle sind begeistert, als der Stadionsprecher sagt: „Ich glaube nicht, dass wir uns das erklären lassen müssen von Leuten, die das alles gar nicht gekannt haben.“ Die Ossi-Reflexe funktionieren also noch.

Auch bei mir, denn ich bin irgendwie peinlich berührt, und ich frage mich, was die alle gegen die Stasi haben, die doch sehr aufgepasst hat, dass keiner aus Versehen Nazi wurde. Oder Skinhead, oder so was wie der kurzhaarige Mann mit dem schwarzen T-Shirt, auf dem jemand mit einem Baseballschläger niedergestreckt wird und auf dem steht „Mehr Spaß im Osten“.

Die anderen sind gekommen, um gemeinsam ohn’ Unterlass zu singen. „Ein Tor, das kann doch nicht so schwer sein“, singen sie, weil ihrer Mannschaft absolut keines gelingen will. Als Eisern Union kurz vor Schluss 4:0 zurückliegt, singen die Unionisten: „Das wird ’ne ganz enge Kiste“. Hier nimmt niemand jemand was übel, hier ist Familie. „Carsten Stegemann kann seinen Geldbeutel beim Bierausschank abholen. Er ist gefunden worden“, sagt der Stadionsprecher. Hier geht niemand verloren, nicht einmal Carsten Stegemann. KLAUS BITTERMANN