: Naturschutz nach Kassenlage
Schleswig-Holstein konkretisiert, was aus den ab 2008 wirtschaftlich zu führenden Landeswäldern werden soll. Die Grünen fürchten Abholzbetriebe ohne Erholungswert und Naturschutz-Auftrag
Schleswig-Holstein ist das waldärmste Flächenland Deutschlands. Es besitzt rund 162.000 Hektar Waldfläche, was in etwa einem Zehntel der Landesfläche entspricht. Die Hälfte der Waldfläche gehört privaten Besitzern, im Besitz des Landes befinden sich nur 31 Prozent des gesamten Waldbestandes. 15 Prozent gehören Kommunen und Stiftungen. Außerdem besitzt der Bund drei Prozent der Waldflächen. KC
VON ESTHER GEISSLINGER
Der Wald wird zum Wirtschaftsbetrieb: „Dass es so dick kommen würde, hatten wir nicht erwartet“, sagt die Landesvorsitzende der Grünen, Marlies Fritzen. Die Rede ist von einem Referentenentwurf zur Neuordnung der Landeswälder. Das Papier aus dem Landwirtschafts- und Forstministerium beschreibt die Ziele der geplanten Anstalt öffentlichen Rechts, in die die Landeswälder Ende des Jahres überführt werden sollen. Auf diese Maßnahme hatten sich CDU und SPD im April geeinigt. Schon damals hatte das Motto „Förstereien zu Profitcentern“ gelautet (taz berichtete).
Die Befürchtungen seien übertroffen worden, sagt Marlies Fritzen. Ihre Hauptvorwürfe: Das Land trete mit der neuen Anstalt als reiner Wirtschaftsbetrieb auf, und der Forst unterstehe nur noch kaufmännischen Interessen: „Gewinnmaximierung statt Gemeinwohl, Naturschutz nur noch nach Kassenlage“ könnte dies heißen, fürchtet Fritzen. Erleichtert werde auch der Verkauf von Waldflächen. Auch solle ein Passus des Waldgesetzes verschwinden, der eine naturnahe Bewirtschaftung vorsieht.
Die Grünen-Chefin sieht durch den Gesetzentwurf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1990 verletzt, dem zufolge in öffentlichen Wäldern Umwelt und Erholung wichtiger sein sollen als der Ertrag. „In einem reinen Wirtschaftswald, wie er nun geplant ist, drohen Monokulturen, in denen weniger Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum finden“, sagt sie.
Schleswig-Holstein ist nicht das einzige Land, in dem der Landesforst durch Anstalten öffentlichen Rechts betrieben wird. In Bayern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es das Modell bereits, Brandenburg plant die Umwandlung Anfang 2008. Doch es gibt große Unterschiede. So verpflichtet sich Mecklenburg-Vorpommern zu „Schutz und Mehrung des Waldes, zur Sicherung seiner sozialen, ökologischen, ökonomischen und kulturellen Funktionen“. In Niedersachsen gilt zwar „eine nachhaltige Vermögensentwicklung nach kaufmännischen Grundsätzen“ als wichtigste Aufgabe des Forstbetriebes. Zugleich soll die Anstalt aber „eine nachhaltige Umweltvorsorge, den Schutz der natürlichen Ressourcen und die Entwicklung des Erholungswertes“ leisten. Das schleswig-holsteinische Modell sei der falsche Weg, sagt Fritzen: „Die Anstalt soll sich ab 2012 wirtschaftlich tragen. Das geht nur durch Abholzen.“
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag bringt der Protest der Grünen wenig. Nur die SPD könnte die Pläne des CDU-Ministers von Christian Boetticher noch stören. Sandra Redmann, forstpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagt: „Es ist unser Ziel, die zu gründende Anstalt so auszustatten, dass auch die Gemeinwohlleistungen, wie Naturschutz, Waldpädagogik und Ausbildung, gesichert sind.“
Dabei geht es auch um Arbeitsplätze: „Das vorhandene Personal muss zunächst vollständig auf die Anstalt übertragen werden“, fordert Redmann. Forstminister von Boetticher hatte angekündigt, die Zahl der rund 300 Stellen zu halbieren. Entlassungen seien nicht geplant, aber das Personal werde andernorts eingesetzt. „Das wäre ein großer Fehler“, erklärt Redmann. Erst im Betrieb der neuen Anstalt dürften „unabwendbare sozialverträgliche Maßnahmen“ umgesetzt werden.