Windpocken im Heim

FLÜCHTLINGE Aufnahme gestoppt. Lageso-Mitarbeiter klagen über Arbeitsbedingungen

„Das Interesse, bei uns zu arbeiten, ist nicht sonderlich groß“

LAGESO-PERSONALRÄTIN KARIN BUSCH

Wegen Masern- und Windpockenfällen in mehreren Flüchtlingsheimen nimmt das Land derzeit keine weiteren Flüchtlinge auf. So weit waren sich Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und die zuständige Personalrätin im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), Karin Busch, am Mittwoch im Hauptausschuss des Parlaments einig. Von den Konsequenzen aber gab es widersprüchliche Darstellungen. Laut Czaja würden die Flüchtlinge in andere Bundesländer weitergeleitet. Busch hingegen sagte: „Die anderen Bundesländer nehmen nicht auf.“ Nach ihrer Darstellung stünden neu ankommende Flüchtlinge derzeit weiter bei ihren Lageso-Kollegen im Büro und müssten in die Obdachlosigkeit entlassen werden.

Einig waren sich der Senator und die Personalrätin, dass die Lageso-Mitarbeiter völlig überlastet seien. Die Zahl der Flüchtlinge und Unterkünfte habe sich in der vergangenen zwei Jahren vervierfacht, die Zahl der Mitarbeiter lediglich verdoppelt, sagte Czaja. „Die Kollegen in diesem Bereich betreiben reine Selbstausbeutung“, so Busch: Sie würden trotz Krankheit zur Arbeit kommen, um nicht ihren Kollegen Mehrarbeit aufzuladen.

Anwerbeversuche in den Senatsverwaltungen haben bislang überschaubaren Erfolg. Laut Czaja gab es Angebote an 140 Mitarbeiter, von denen sich 15 abordnen ließen. „Das Interesse, bei uns zu arbeiten, ist nicht sonderlich groß“, gab Busch offen zu. Czaja sagte allerdings an, ab Dezember würden 15 neue Mitarbeiter bei der Flüchtlingsaufnahme eingesetzt, 40 befristete Stellen in dauerhafte Arbeitsverhältnisse umgewandelt und sie habe weitere 27 Stellen bewilligt. „Unser Ziel ist weiter, die Zahl der Mitarbeiter zu erhöhen“, so Czaja.

Der Hauptausschuss, im Parlament zuständig für sämtliche Finanzen, hatte die Personalrätin und weitere Vertreter der überlasteten Mitarbeiter zu einer Anhörung über die Arbeitsbedingungen eingeladen. Fraktionsübergreifend gab es Konsens, die Zustände zu ändern. Jenseits davon hörte aber auch hier die Gemeinsamkeit auf, zumindest zwischen Union und Piraten. Der CDU-Abgeordnete Michael Freiberg, früher als Stadtrat in Neukölln auch für Bürgerdienste zuständig, hielt dem Piraten Fabio Reinhard sinngemäß vor, Teil des Problems zu sein, indem er mit seinen Anfragen für Arbeit sorge: „Man kann Verwaltung auch blockieren, wenn man seine parlamentarischen Rechte voll anwendet.“ STEFAN ALBERTI