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Archiv-Artikel

Ein Vogel, der Versehen heißt

Hedi Slimane verpflichtete einst dünne Jünglinge von Berlins Straßen als Models für seine superengen Klamotten. Bei Arndt & Partner hat der ehemalige Chefdesigner von Dior nun eine so schöne wie pointenlose Ausstellung über die Jugend kuratiert

VON TIMO FELDHAUS

Wenn irgendwann einmal, in ferner Zukunft, das verschollene Ideal eines Jünglings unserer Jahrhundertwende gesucht werden sollte, dann muss man sich nur an Hedi Slimane erinnern. Aus den Fotoarchiven des Modedesigners ergibt sich ein umfassendes Tableau des gesuchten Typs, porträtiert auf Modeshows, auf Rockkonzerten und den Straßen verschiedener Großstädte. In einer von Hedi Slimane selbst kuratierten Ausstellung bei Arndt & Partner soll der „Süße Vogel Jugend“ nun ebenfalls eingefangen werden.

Ende der Neunziger war Slimane verantwortlich für die Herrenmodekollektion von Yves Saint Laurent. Dann versah er als Chefdesigner der Herrenkollektion das bourgeoise Modehaus Christian Dior mit der Aura der Jugend und des verruchten Cool. Er verschmälerte die männliche Silhouette zu einem androgynen, super-skinny Look und wurde dafür als Revolutionär gefeiert. Die Pariser Men’s Fashion Week musste vor kurzem allerdings ohne Slimane auskommen. Seit März arbeitet er nicht mehr für Dior. Das Konzept für die Berliner Ausstellung, in der er eigene Arbeiten und solche von meist befreundeten Künstlern zeigt, ist einfach: Ein Werk solle einen Bezug zur Jugend haben und schwarzweiß sein.

Slimane, der einst Politik studierte, lebte längere Zeit in Berlin. Hier castete er zu Beginn seiner Karriere dürre, urbane Jungchen von der Straße und machte die wangenknochigen Catwalk-Dilettanten in einer epochemachenden Show zu Stylemonstern. Der 1968 geborene Pariser Slimane hat wohl größten Anteil daran, dass modebewusste junge Männer heute schmalbrüstig in schwarzen Röhrenjeans umherstaksen und zum Platzen eng sitzende Anzüge mit dünnen Schlipschen tragen.

Wenn Hedi selbst bei der Eröffnung durch die Räume schleicht in riesigen Springerstiefeln und schwarzen Röhrenjeans mit hängendem Hosenboden, gilt das als sehr auratisch. Das andächtige Publikum, das sich in den drei Ausstellungsräumen zusammendrängt, ergibt in diesem Moment das eigentliche Kunstwerk: Wenn nämlich die schmucke Masse der Interessierten sich in ihren schwarzweißen Looks in die Ausstellung einfügt, kommt es zu einer beinahe magischen Homogenisierung von Publikum und Ausstellungsinhalt. So spiegelt man sich in einem großformatigen Terence Koh oder drapiert sich neben dem silberfarbenen Glitter-Catwalk (ein Slimane für 21.000 Euro).

Fraglich bleibt, ob die Ausstellung auch ohne ihr menschliches Interieur auskommt. Es sind viele junge Künstler gewonnen worden, die vor allem durch den Hype aufgefallen sind, der um ihre Person gemacht wurde, etwa Terence Koh und Dash Snow. Sie sind vergleichbar nicht aufgrund ihres Werkes, sondern wegen ihres kometenhaften Aufstiegs zu Kunstpopstars. Natürlich kriegt die nicht jeder Kurator. Hedi aber ist ein guter Freund und da fragt man eben mal. Und es wäre doch dumm, dies negativ zu konnotieren, das ist ja sehr schön. Wie die Ausstellung überhaupt sehr schön ist. Es gibt eine Reminiszenz an Wim Wenders’ „Himmel über Berlin“, die Flügel des Engels liegen hier auf Beton – der Sehnsucht süßer Vogel.

Ansonsten viel blumige Verzweiflung bei den Bildern Paul P.s; Popstarverehrung bei Slimane; nostalgische Gefühle bei Mathew Cerlett und viele Träume in Video, in einem labyrinthischen Dark Room inszeniert. Hier wird ein reines und glattes, ästhetisiertes Bild von Jugend erstellt. Hier schockiert nichts, verwundert nichts und stört aber auch gar nichts. Alle Arbeiten sind von Männern gemacht, fast alle von 2007, so frisch, dass das mit Kaugummis bestückte Bild von Dan Colen noch süßlich duftet. Begleitet wird dieses Gesamtkunstwerk von einem atmosphärischen Gitarrengeplänkel. Slimanes zehn eigene Werke wirken dabei wie aus der Kunstgeschichte zusammengeklaubt, etwa die mal umkodierten, mal zerschnippelten US-Flaggen. Ein wenig uneuphorisch und leer auch, wie der Spiegel, auf dem „Endless Party“ eingraviert ist, oder einfach ein bisschen zu naheliegend die an Dan Flavin erinnernde Neonröhreninstallation.

Doch aus dieser zitathaften Leere und Absichtslosigkeit ergibt sich am Ende vielleicht wirklich das Bild einer zerstreuten, der coolen Pose zustrebenden Jugend von heute. Der unpointierte, fast langweilige Schwebezustand, den die Ausstellung auslöst, würde so ganz aus Versehen zu ihrem großen Coup. Denn es bleibt dabei, das eigentliche Kunstwerk Slimanes sind die jungen Männer, seine Kreationen, die auf der After-Party in der Bar Kim ihre dünnen Knochen zu den Brit-Pop-Hits bewegen, die der Meister selbst für sie auflegt.

„Sweet Bird of Youth“ ist bis zum 31. August in der Galerie Arndt & Partner, Zimmerstr. 90/91, zu sehen. Stühle Slimanes werden derzeit in der Galerie Tissi, Potsdamer Str. 70, gezeigt