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Archiv-Artikel

BUCHTIPP

Bild und Text

Er besitze die ganze Welt, freute sich Burton Holmes, geboren 1870, am Ende seines langen Lebens. Der US-Amerikaner war Reisender und Fotograf. „Wer sich die Welt durch Reisen aneignet, nimmt niemandem etwas weg “, schrieb er. Der Taschen Verlag hat ein mächtiges und mächtig schweres Buch mit Holmes’ Aufnahmen herausgebracht. Es heißt schlicht „Reiseberichte“, die etwas karge Übersetzung von „Travelogues“. So nannte Holmes seine Vorträge, mit denen er Säle füllte, wie etwa die Chicago Orchestra Hall, und zwar 25-mal in einer Saison.

Burton Holmes lebte mit seiner Frau, ebenfalls Fotografin, in New York und in Hollywood. Im Sommer reiste er, im Winter hielt er Vorträge. Seine Glasdiapositive ließ er von Hand einfärben, die Koloristinnen benutzten dazu einhaarige Hermelinpinsel. Holmes hatte Erfolg, weil er das Neue, noch Ungesehene zeigte: den Glaspalast in London oder den Bau des Panamakanals. Burton Holmes besuchte 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, hielt 1907 beim größten Vesuv-Ausbruch der jüngeren Geschichte drauf, er reiste 1892 fünf Monate durch Japan, durchquerte 1894 den Maghreb mit einer Karawane, radelte 1895 von Paris nach Italien, er besuchte beinahe jedes Land der Erde. Dabei schoss er mehr als 30.000 Fotos und drehte gut 150.000 Meter Film. Zu den Fotos stellt die Herausgeberin Genoa Caldwell Zitate aus Holmes’ Büchern. Zu einem Foto des Berliner Stadtschlosses schrieb er: „… leere Pracht, förmliche Großartigkeit, kalter, freudloser Luxus, nichts Intimes, nichts Heimeliges, nichts wirklich Künstlerisches, weil Protz nie kunstvoll im wahren Sinne des Wortes sein kann.“ Stärker interessiert als die westliche Welt haben ihn Asien und Afrika. Da zeigt er luftig gekleidete Ägypterinnen, gegen die englische Frauen aus derselben – der Viktorianischen – Zeit geradezu vermummt erscheinen. Burton Holmes begeisterte 60 Jahre lang mit fast 8.000 Vorführungen seine Landsleute, verführte sie zum Reisen, und sei es mit den Augen. Damals, als das Reisen noch neu und die Ferne noch fern war.

BARBARA SCHAEFER

Burton Holmes, Genoa Caldwell (Hrg.): „Reiseberichte. Der größte Reisende seiner Zeit, 1892–1952“. Taschen Verlag, 366 Seiten, 39,99 €