BARBARA DRIBBUSCH ÜBER DEN NUTZEN DER MIGRATION
: Die Rechnung erweitern

Migranten mit ihren Niedriglöhnen sorgen für bezahlbare Preise im Gastgewerbe und in der Pflege

Das Fazit klingt gut: Jeder Ausländer zahlt pro Jahr durchschnittlich 3.300 Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben, als er oder sie an staatlichen Leistungen erhält. Deutsche haben im Schnitt einen Saldo von 4.000 Euro im Jahr, was am höheren Erwerbseinkommen und der geringeren Arbeitslosigkeit liegt. Je besser die Qualifikation der Zuwanderer, desto höher der Saldo, den sie dem deutschen Staat erbringen, so eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Rechnungen wie diese sind zwar nützlich, um den gröbsten Vorurteilen gegen Migranten zu begegnen. Aber sie bergen die Gefahr, dass sich der Blick auf die Steuern und Sozialabgaben von Ausländern verengt. Migranten mit ihren niedrigen Löhnen oder gar der Schwarzarbeit sorgen aber darüberhinaus für niedrige Preise, etwa im indischen Restaurant – und bezahlbare Altenpflege in Privathaushalten. Diese Auswirkungen im Konsumsektor werden von der Studie nicht erfasst, dabei profitiert die deutsche Bevölkerung ganz erheblich von ihnen.

Die politischen Fragen angesichts der Zuwanderung von Flüchtlingen werden zudem durch Wirtschaftsstudien wie diese nicht gelöst, sondern können im Gegenteil Vorurteile sogar noch befeuern und die Aufteilung in „gute“ und „schlechte“ Ausländer verstärken. Flüchtlinge ohne Job zahlen keine Steuern und Sozialabgaben, woher denn auch, und passen mit ihren Sprach- und beruflichen Kenntnissen erst mal nicht unbedingt in die hiesige Ökonomie.

Vielleicht wird man manche Asylbewerberfamilie erst in der zweiten Generation in den Arbeitsmarkt integrieren. Wir müssen die Rechnung über Kosten und Nutzen von Migration daher erweitern – und erst mal mehr abgeben von unserem Wohlstand an Flüchtlinge, die nicht so viel Glück gehabt haben wie wir. Das ist richtig so. Aber das spricht natürlich kaum ein Politiker gern aus.

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