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Archiv-Artikel

Lizenz-Entzug für Vattenfall machbar

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fordert, dem Atomkonzern nach den Unfällen in den AKWs Krümmel und Brunsbüttel die Erlaubnis zum Reaktorbetrieb abzuerkennen. Er habe Informationen zurückgehalten. Auch im Strahlenschutzamt rumort es

VON BERNWARD JANZING

Der Vorstoß von Renate Künast traf gestern selbst die Atomaufsicht unvorbereitet. Die Grünen-Fraktionschefin hatte in der Presse gefordert, die Behörden müssten dem Stromversorger Vattenfall die Lizenz zum Betrieb von Atomreaktoren entziehen. Das Unternehmen verfüge offenbar nicht über die zwingend geforderte Zuverlässigkeit. Im Kieler Sozialministerium, dem die Aufsicht über den Pannenmeiler Krümmel obliegt, musste daraufhin erst einmal geprüft werden: „Wir lassen gerade klären, ob das Land dazu rein rechtlich in der Lage ist“, sagte ein Sprecher der taz.

Hintergrund der Forderung ist ein Passus im Atomgesetz, der Betreibern von Atomanlagen eine besondere Vertrauenswürdigkeit abverlangt. So dürfen keine „Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers“ bestehen. Und auch die „für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Personen“ müssen als zuverlässig erachtet werden. „Vattenfall hat die Öffentlichkeit nicht über das wirkliche Ausmaß des Zwischenfalls informiert“, sagte die Grünen-Politikerin nun nach den jüngsten Atomunfällen in den AKWs Krümmel und Brunsbüttel.

Der Vorwurf trifft Vattenfall nicht zum ersten Mal: Auch bei der Beinahe-Katastrophe im schwedischen Reaktor Forsmark 2006 sowie bei Störfällen im Meiler Brunsbüttel hatte Vattenfall erst verspätet über die wahre Dimension aufgeklärt.

Die Grünen sind nicht die einzigen Vattenfall-Kritiker. Auch im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) rumort es längst: Gegenüber der Öffentlichkeit äußert sich die Behörde zwar grundsätzlich nicht zu Reaktorstörfällen. Doch gegenüber dem übergeordneten Bundesumweltministerium macht die Fachbehörde ihre Verwunderung über die jüngsten Ereignisse im Hause Vattenfall sehr wohl deutlich, wie aus internen Kreisen zu erfahren ist. Dabei stört sich das BfS zum einen an der Häufung der Störfälle in den Meilern Brunsbüttel und Krümmel, zum anderen an der wiederholt zögerlichen Informationspolitik.

Rein formal wäre ein Entzug der Lizenz durchaus machbar. Denn im Atomgesetz ist klar definiert, dass atomrechtliche Genehmigungen widerrufen werden können, wenn „eine ihrer Voraussetzungen später weggefallen ist und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen“ wird. Als sicherheitsrelevante Defizite können neben technischen Details auch Personen oder betriebsinterne Abläufe gewertet werden.

Gleichwohl muss viel passieren, bis sich die Aufsicht zu einem solchen Schritt durchringt: „Die Hürden für einen Entzug der Betriebserlaubnis sind hoch“, weiß Stephan Kurth vom Öko-Institut in Darmstadt.

Unterdessen wird weiterhin geprüft, wie die Vorfälle in Krümmel sicherheitstechnisch zu bewerten sind. Weder die Atomaufsicht in Kiel noch das Bundesumweltministerium und das BfS wagen derzeit zu spekulieren, wann der Reaktor wieder ans Netz gehen kann.