: „So wird die Ökodiktatur Realität“
UMWELT Naomi Oreskes erforscht die Geschichte des Lobbyismus. Ihr Spezialgebiet: die Strategien der Klimaskeptiker. Sie sagt: Wer die Erderwärmung leugnet, ist der eigentliche Feind der Freiheit. Wie meint sie das?
56, ist Wissenschaftshistorikerin und lehrt an der US-Eliteuniversität Harvard. Bekannt wurde sie 2004 mit einer Studie, für die sie fast 1.000 klimawissenschaftliche Arbeiten verglich. Sie belegte, wie überwältigend der Konsens ist, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Ihr Buch „Merchants of Doubts“ ist auf Deutsch mit dem Titel „Die Machiavellis der Wissenschaft“ erschienen. Ihr aktuelles Werk „The Collapse of Western Civilization: A View from the Future“ ist bisher noch nicht übersetzt.
INTERVIEW INGO ARZT
taz: Frau Oreskes, Ihr neues Buch spielt im Jahr 2394. Darin analysiert eine chinesische Wissenschaftlerin, warum die Erde im Klimakollaps versunken ist, obwohl die Gefahr lange bekannt war. Gleich auf den ersten Seiten sieht man eine Karte, darauf sind die Niederlande fast verschwunden. Das ist doch hoffentlich Fiktion, oder?
Naomi Osreskes: Hoffen wir. Allerdings: Es gibt eine ganze Reihe solcher Karten aus verschiedenen Teilen der Erde: Florida, die Niederlande, Bangladesch.
Ist die Gefahr real, dass diese Länder verschwinden?
Wenn der Meeresspiegel steigt, werden sie als Erste überflutet. Die Niederlande immerhin planen und bauen schon für diesen Fall. Sie haben im Deichbau große Tradition und Erfahrung. Vielleicht hilft es ja.
In Ihrem Buch ist der Meeresspiegel um zwanzig Meter angestiegen, was die schlimmsten wissenschaftlichen Annahmen übertrifft. Braucht es heute so ein apokalyptisches Szenario, um überhaupt noch gehört zu werden?
Wenn wir die Maßnahmen gegen den Klimawandel verzögern, wird das Problem immer schlimmer. Damit riskieren wir, dass irgendwann unbarmherzige und autoritäre Maßnahmen nötig werden. Vielleicht müssen wir dann die Freiheit der Menschen einschränken. In den USA warnen viele Klimaskeptiker vor den Umweltschützern. Sie unterstellen ihnen, sie wollten eine Art kommunistischer Ökodiktatur schaffen. Natürlich will das keiner. Die Ironie ist nur: Wenn die Leugner so weitermachen, müssen die Freiheiten irgendwann tatsächlich abgeschafft werden, um die Gefahren des Klimawandels abzuwehren.
Republikaner in den USA und deutsche Konservative scheinen da ähnliche Befürchtungen zu haben. Unserer Ökopartei, den Grünen, unterstellt man neuerdings auch am liebsten, sie wollte die Freiheit einschränken.
Das ist natürlich eine interessante Frage: Kann man das Klimaproblem in einer marktbasierten Wirtschaft überhaupt in den Griff kriegen? Ich sage: Es wäre albern, wegen des Problems gleich das ganze kapitalistische System abschaffen zu wollen. Es gibt Beispiele, dass auch im Kapitalismus Umweltprobleme gelöst werden können. Nehmen Sie das Ozonloch. Es schließt sich. Die Gefahr ist gebannt, weil die Regierungen der Welt zusammenkamen, das Montreal-Protokoll unterzeichneten und FCKW ersetzt werden konnte.
Gut, das war recht einfach. Bei der Klimakonferenz in Lima wird sich nächste Woche wieder zeigen, wie schwierig die Frage beim CO 2 -Ausstoß ist.
Das Problem hat eine andere Dimension, klar: Die Dauer, die technische Herausforderung, die Psychologie dahinter. Und es trifft die gesamte Wirtschaft, nicht nur Kühlschränke und Haarspray. Da wüsste ich auch nicht auf Anhieb, wie wir das innerhalb eines Marktsystem lösen können.
Die berühmte Globalisierungskritikerin Naomi Klein sagt: gar nicht.
Damit macht sie es aber denen, die Ökos als Kommunisten beschimpfen, leicht. In den USA bezeichnen die Konservativen die Umweltschützer gern als Wassermelonen: außen grün, innen rot. Womit Naomi Klein recht hat: Die Frage ist doch, ob wir das System nicht grundlegend hinterfragen müssen. Wir haben noch nicht einmal angefangen, darüber nachzudenken.
Wo würden Sie ansetzen?
Ich würde erst einmal vom freien Markt ausgehen. Wir kennen den CO2-Emissionshandel oder könnten ein ökologischeres Steuersystem schaffen.
Mehr Steuern? Da reagiert man in Deutschland ganz empfindlich.
Interessant ist, dass ein Vorbild für diese Reform aus dem konservativen Amerika stammt. Unter dem alten George Bush bauten die Republikaner ein Emissionshandelssystem auf, um den sauren Regen zu bekämpfen. Ein Teil der US-Wirtschaft hat mitgemacht. Es wurde viel erreicht.
Ein Klimaschutzabkommen allerdings haben die USA bis heute nicht ratifiziert. Sie sagen: Weil professionelle Leugner des Klimawandels ihre Finger im Spiel haben. Wer sind diese Profis, die den Zweifel säen?
Sie bekämpfen jede Art von staatlicher Umweltregulierung, indem sie die wissenschaftliche Basis angreifen. Umweltschützer sagen etwa: Wir haben ein Problem, unsere Wälder sterben wegen des sauren Regens. Die andere Seite entgegnet: Ach, es gibt doch gar keinen wissenschaftlichen Konsens, ob das wirklich so ist. Diese Methode wird immer und immer wieder verwendet. Angefangen hat die Tabakindustrie. Sie behauptete, Rauchen verursache keinen Krebs. Dann ging es weiter mit dem sauren Regen, dem Ozonloch und Pestiziden. Jetzt wird das Argument angewendet, um den Klimawandel in Zweifel zu ziehen. Die wissenschaftliche Quellenlage war in allen Fälle anders gelagert, die Strategie dagegen ist aber immer dieselbe.
Lebt Wissenschaft denn nicht vom Zweifel?
Natürlich. Aber den Klimaleugnern geht es nicht um wissenschaftliche Ehrlichkeit. Sie lügen schlicht. Sie nehmen die Stärke der Wissenschaft – ihre Selbstkritik – und verwandeln sie in eine Schwäche. Statt Unsicherheiten ehrlich zu diskutieren, sagen sie: Schaut euch die große Debatte in der Klimawissenschaft an. Da ist noch so viel offen, so wenig eindeutig. Also müssen wir auch nicht handeln. Das ist aber falsch. Es gibt einen Konsens unter 97 bis 99 Prozent der Klimawissenschaftler.
Für jemanden, der Ihr Buch und die Fülle an Belegen nicht gelesen hat, klingt das alles schnell nach Verschwörungstheorie.
Ja, das höre ich oft.
Also, wer sind denn diese ominösen Verkäufer des Zweifels. Böse Menschen, die von bösen Ölkonzernen bezahlt werden?
Also erstens: Solche Verschwörungen gibt es. Die Tabakindustrie ist in den USA offiziell für eine kriminelle Verschwörung zum Zwecke des Betrugs verurteilt worden.
Das beweist noch nicht, dass die Öl- und Gasindustrie genauso handelt.
Es war die Tabakindustrie, die diese heimliche Strategie des Zweifels erarbeitet hat. Die Leute, die dahintersteckten, sind genau diejenigen, die auch heute den Klimawandel leugnen. Es gibt ein loses Netzwerk von Verbänden und Gruppen. Thinktanks wie das Cato Institute, das Marshall Institute, das Heartland Institute oder die Heritage Foundation. Und einzelne Leute wie den Atmosphärenphysiker Fred Singer oder den Physiker Fred Seitz. Der erste Teil der Geschichte, das Kapitel über die Tabaklobby, ist leichter zu erzählen, weil wir mehr Beweise dokumentieren können. Als Reaktion darauf verschleiern heute die Klimaleugner ihre Aktivitäten besser. Sie nutzen ein Gesetz, das es erlaubt, Spender geheimzuhalten. Wir wissen, dass hunderte Millionen Dollar der Öl- und Gasindustrie in einen Unternehmensverband fließen, der wiederum Stiftungen finanziert, die Klimaleugner bezahlen.
Was sind die Motive für dieses beharrliche Leugnen des Offensichtlichen?
Wie gesagt, diese Leute denken, Umweltschutz sei nur eine Entschuldigung dafür, Sozialismus einzuführen.
Kann man heutzutage echt noch mit solchen Argumenten kommen?
Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der jungen US-Amerikaner etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollen, genauso viele unterstützen die Homo-Ehe. An der Macht sind aber alte, weiße Männer, die im Kalten Krieg groß geworden sind. Dieses historische Erbe ist kaum tot zu kriegen. Sehen Sie sich nur den aktuellen politischen Sprachgebrauch in den USA an. Da ist die Rede von der „arabischen Gefahr“ so wie früher von der „sowjetischen Gefahr“. Neuerdings reden einige darüber, den Islamischen Staat „einzudämmen“. Auch das ist die Sprache des Kalten Kriegs.
In der Geschichte der Wissenschaft gab es häufiger einen Konsens, der sich am Ende als falsch herausgestellt hat. Besteht die Gefahr beim Klimawandel gar nicht?
Niemand sollte der Wissenschaft dumm wie ein Schaf folgen. Wir sollten fragen: Wie gut ist die Sache untersucht? Was wären die Konsequenzen, wenn die Forscher recht haben? Natürlich können Sie darauf wetten, dass sich die Klimawissenschaft in hundert Jahren als falsch erwiesen haben wird. Aber das ist ein großes Risiko. Falls Sie verlieren, liegen die Niederlande eben einen Meter unter der Meeresoberfläche.
Warum sind Sie sich da so sicher?
Weil ich Wissenschaftshistorikerin bin. Die Öffentlichkeit muss verstehen, wenn Wissenschaftler etwas fordern, dann eher konservativ. Wenn es alarmistisch klingt, dann sagt uns das, dass die Wissenschaft wirklich, wirklich besorgt ist. Im Übrigen: Es gibt in der Wissenschaftsgeschichte nicht so viele echte Kehrtwenden.
Der Klassiker ist der Paradigmenwechsel von Newton zu Einstein.
Genau, Newton sagte, Zeit und Raum sind absolute Größen. Einstein sagte, sie sind relative Größen. Beides geht nicht gleichzeitig. Ontologisch sind die Positionen unvereinbar. Physiker sagen: Das stimmt, aber in den meisten Fällen, wenn die Geschwindigkeit sehr klein ist, dann sind wir bei Newton. Er ist also nicht widerlegt, er ist eingegrenzt. Er stimmt in unserem Alltag. Haben wir Newton also falsifiziert? Ontologisch gesehen schon, pragmatisch aber nicht.
Sehen Sie denn keine Gefahr, dass wir gerade einem falschen Paradigma anhängen? Weil sich das Klima seit 15 Jahren nicht mehr erwärmt?
Die zweite Frage ist Bullshit. Die Klimaerwärmung hat nicht aufgehört. Es ist ein rein statistisches Artefakt, wenn man die Betrachtung 1998 beginnt. Jede seriöse Statistik zeigt, es gibt Fluktuationen, aber es geht damit weiter. Die Erwärmung hat sich in den vergangenen Jahren verlangsamt, richtig. Aber sie ging auch schon mal wesentlich schneller. Man kann von der Entschleunigung aber nicht auf einen Stopp schließen.
Aber es gibt doch eindeutig ein Temperaturplateau, ein verharren der globalen Temperaturen in den vergangenen zehn Jahren?
Nein, das stimmt nicht. Ich bin jeden Tag erstaunt, wie viele Wissenschaftler statistische Fehler machen. Schauen Sie in den aktuellen Weltklimabericht an und wie der IPCC, der Weltklimarat, gegen das Argument ankämpft. Eigentlich halten die Forscher es nicht für relevant, meinen aber doch, irgendwie darauf reagieren zu müssen.
Muss man nicht reagieren, wenn alle denken, es gebe ein Temperaturplateau?
Nein, die richtige Reaktion ist zu sagen: Es gibt keines. Das zeigt nur wieder, wie effektiv die Leugner arbeiten.
Sehen Sie trotzdem die Gefahr eines Mangel an Selbstkritik in der Wissenschaftsgemeinde?
Es gibt inzwischen die Tendenz, sich abzuschotten. Das ist menschlich, aber ich glaube, nicht hilfreich. Es liefert den Leuten, die den IPCC ohne wissenschaftliche Basis angreifen, nur ein neues Argument. Dabei hat die externe Kritik dazu geführt, dass die Wissenschaft genauer und exakter geworden ist. Das Level der Untersuchungen ist wesentlich besser, als es ohne den Druck von außen gewesen wäre.
Von wem stammt folgendes Zitat? „Wenn wir jetzt nicht Emissionen reduzieren, dann werden wir wesentlich höhere Kosten in der Zukunft haben. Dennoch sind globale Maßnahmen angesichts der extremen Dringlichkeit viel zu weit entfernt.“
Ein Wissenschaftler? Exxon Mobile?
Es stammt von Shell. Kann es sein, dass es ein Umdenken bei den Konzernen gibt?
Diese Leute arbeiten sehr ausgeklügelt. Die tanzen auf allen Hochzeiten. Das hat auch die Tabakindustrie gemacht. Die Sache bei Shell ist: Das Unternehmen hat besonders in den vergangenen Jahren viel Vernünftiges in Bezug auf den Klimawandel gesagt. Offenbar hat es ihn akzeptiert. Aber wenn man sich die Jahresberichte anschaut, dann rechnet Shell weiterhin mit einer Welt, die immer mehr Öl und Gas braucht. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen?
Ja, wie?
Keine Ahnung, fragen Sie die.
Es zeigt immerhin, die fossile Industrie ist kein monolithischer Block, und alle den Klimawandel leugnen. Welche Konsequenzen hat das für den Kampf gegen den Klimawandel?
Schwer zu sagen. In den frühen 90ern gab es eine Gruppe, die nannte sich The Global Climate Coalition. Angeführt wurde sie von Exxon Mobile, dazu kamen diverse Verbände, British Petroleum, DaimlerChrysler, Ford, General Motors, Shell. Ich habe sie als Kohlenstoffkomplex bezeichnet. Das war ein Block, um das Kioto-Protokoll zu bekämpfen und zu verhindern, dass die USA der Senkung von Treibhausgasemissionen zustimmen. In den frühen Nullerjahren gab die Koalition ihre Auflösung bekannt, mit der Begründung, sie habe ihr Ziel erreicht. Das hatte sie tatsächlich. Interessanterweise aber waren BP und Shell schon 1997 ausgestiegen, also die Briten und die Holländer. Es gibt einen Bruch, und der verläuft zwischen Europa und den USA.
■ Und nun zum Klima: Vom 1. bis 12. Dezember findet in der peruanischen Hauptstadt Lima die 20. UN-Klimakonferenz statt. Das Ziel: Ein Entwurf für das entscheidende Klimaabkommen, das 2015 in Paris geschlossen werden soll.
■ Heiter bis wolkig: Die Stimmung ist vorsichtig optimistisch. Im Herbst haben die EU und dann überraschend auch die USA und China eigene Klimaziele verkündet. Die sind noch nicht wirklich ambitioniert, aber der Wille zählt. Von überall kommen derzeit positive Meldungen: Beim Klima-Sondergipfel in New York im September meldete sich die globale Klimabewegung zurück. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum seien gut vereinbar, wenn die 90 Billionen Dollar, die bis 2040 in Kraftwerke, Landwirtschaft und Städtebau investiert werden, in die richtigen Kanäle fließen, hat eine hochrangige Kommission erklärt. Die Entwaldung soll bis 2030 global gestoppt werden. China will 2016 einen nationalen Emissionshandel einführen. Der „Grüne Klimafonds“ der UN wurde gerade mit 10 Milliarden Dollar gefüllt.
■ Weitere Aussichten: Ein Abkommen in Paris ist wahrscheinlich. Wie effektiv es den Klimawandel eingrenzt, entscheidet sich im Kleingedruckten von Lima. (bpo)
Green Economy ist heute ein Geschäftsmodell. Teile von Europas Energiewirtschaft kämpften sogar für die Verteuerung von CO 2 -Emissionen. Wie erklären Sie das?
Hier unterscheiden sich Europa und die USA. Bei uns kämpfen die meisten Energieversorger gegen erneuerbare Energien. Die wollen nicht den Ärger, sich damit auseinanderzusetzen. Hätten wir eine CO2-Steuer würde sich das schnell ändern, weil sie einen starken Anreiz setzen würden, in erneuerbare Energien zu investieren. Oder andere Dinge, wie CCS, das unterirdische Verpressen von CO2. Die Möglichkeiten für Firmen, in einer grünen Wirtschaft Geld zu verdienen, sind enorm. Die Technologien sind da. Sie sind in der gegenwärtigen Marktstruktur aber nicht konkurrenzfähig oder nicht in der Größenordnung konkurrenzfähig, die wir brauchen.
Sie sagen, wir sollten es mit einem freien Markt probieren. Und wenn es nicht klappt, dann kommen wir in eine Situation, in der wir Freiheit beschränken müssen?
Nein, das meine ich nicht. Höchstens als Warnung.
Sie sagen doch: Jungs, ihr kämpft gegen Kommunisten, wo keine sind. Und wenn ihr damit weitermacht, dann kriegt ihr sie wirklich.
So ist es. Ich will aber keinen Kommunismus. Ich bevorzuge aus zwei Gründen Marktmechanismen. Der eine ist: Wir haben Hinweise, dass sie funktionieren. Alles, was wir tun, sollte auf Dingen beruhen, von denen wir wissen, dass sie auch funktionieren können. Aber ich verstehe, warum in den USA so viele Menschen nervös werden, wenn etwas nach Sozialismus aussieht. Ich sage nicht, dass die Recht oder Unrecht haben. Aber das ist die politische Realität. Wir müssen herausfinden, wie wir das Klimaproblem lösen, ohne diese Ängste zu triggern. Das ist der zweite Grund, warum ich für starke Marktmechanismen bin.
In der EU versuchen wir es mit dem Emissionshandel und der funktioniert nicht.
Weil der Preis für den CO2-Ausstoß zu niedrig ist.
Und weil es keinen politische Willen gibt, das zu reparieren.
Genau das ist das Problem. Es ist alles eine Frage des politische Willens. Wenn der für eine Kohlenstoffsteuer vorhanden ist, dann machen sie die. Wenn der politische Willen nach Emissionshandel verlangt, dann wird der eingeführt. Wenn der Wille aber zu beidem fehlt, dann, nun, dann landen wir in der Zweiten Chinesischen Volksrepublik.
Vor ein paar Jahren habe ich den Klimawissenschaftler Michael Mann interviewt, der von persönlichen Attacken auf seine Person vonseiten der Klimaleugner erzählt hat. Ist Ihnen so etwas auch passiert?
Ja, das passiert uns allen. Gehen Sie mal ins Netz und schauen Sie, was für nette Sachen da über mich stehen.
Passiert das nicht jeder öffentlichen Figur?
Als ich die ersten bedrohlichen Mails bekam, war ich noch keine öffentliche Figur. Besorgniserregend wurde es, als Leute behaupteten, meine Thesen seien diffamierend. Dann haben Sie sich bei meiner Hochschule beschwert. Das Heimtückische ist: In den USA ist jede Uni verpflichtet, eine Untersuchung einzuleiten, wenn es eine Beschwerde gibt. Und auch, wenn die nichts ergibt, kann man im Internet vielsagend erzählen, es habe eine Untersuchung gegeben. So haben sie bei mir impliziert, dass ich etwas falsch gemacht hätte. Obwohl alle Behauptungen längst widerlegt waren.
Wenn die Welt es wirklich schaffen sollte, ihre Emissionen ausreichend zu reduzieren, haben Sie ein Problem, oder?
Warum?
Weil es dann am Ende vielleicht gar nicht viel wärmer wird, und niemand weiß, ob die Klimawissenschaftler mit ihren Warnungen Recht hatten.
Wie beim Ozonloch, meinen Sie. Wenn Sie ein Problem lösen, wissen Sie nie, wie schlimm es noch geworden wäre. Aber das heißt ja nicht, dass man es nicht hätte lösen sollen.
■ Ingo Arzt, 36, ist taz-Redakteur für Energie, Wirtschaft und Umwelt