„Ein blinder Fleck“

VORTRAG Anhand der Elliott Erwitt-Ausstellung wird das komische Moment im Foto ergründet

■ 41, ist Professor für Literatur und Medien an der Universität Bamberg.

taz: Was macht ein komisches Foto aus, Herr Glasenapp?

Jörn Glasenapp: Im praktischen Gebrauch findet man sie relativ häufig, aber wenn man sie danach befragt, warum sie komisch sind, dann wird es sehr schnell relativ kompliziert. Bei den Theoretikern, die sich über die Fotografie Gedanken gemacht haben, ging es fast nie um das komische Foto. Das ist in gewisser Weise ein blinder Fleck der Forschung.

Warum interessiert die Wissenschaft das nicht?

Die Fotografie gilt gerade in der Wissenschaft als Medium, das eher melancholischen, elegischen Charakter hat. Häufig wird sie mit dem Tod und dem Vergehen der Zeit assoziiert. Die Forschung tendiert dazu, immer wieder das Thema Fotografie und Tod zu behandeln – und vergisst darüber, dass man über Fotos auch lachen kann. Viele sagen, dass es sehr schwer ist, überhaupt Komik in einem Foto zu generieren, weil ja keine Bewegungen eingefangen werden können.

Elliott Erwitt zeigt, dass es geht.

Ja, er ist dabei neben Martin Parr oder Weegee einer der ganz wenigen großen Fotografen, die ausgesprochen komische Bilder produzieren. Er hat daran auch offenbar großen Spaß. Besonders komisch sind seine Aufnahmen, wenn es um Tiere, speziell Hunde geht. Er benutzt sie, um uns zum Lachen zu bringen, bringt sie uns auf eine ganz menschliche Weise näher. Solche Momente, in denen Nicht-Passendes zusammen gebracht wird, wirken ja häufig enorm komisch.

Dabei neigt gerade die Hunde-Fotografie oft zu Kitsch.

Fotos von unseren geliebten Tieren tendieren oft sehr ins Süßliche. Bei Erwitt ist das anders – er will die Hunde vor allem dort erwischen, wo sie aus ihrer eigentlichen „Rolle“ als Tiere herausfallen. Und das ist der eigentliche Clou: Wenn wir über Tiere auf einem Foto lachen, dann erkennen wir in ihnen genau genommen uns selbst. Wir sind über uns selbst irritiert. Int.: mnz

19 Uhr, Focke-Museum