S-Bahn bestreikt ihre Kunden

Fahrgastverband fürchtet, dass der stark ausgedünnte S-Bahn-Sommerfahrplan im Herbst weiter gilt. Denn die S-Bahn will Personal abbauen. Viele Zugführer machten aus Protest bereits krank

von FELIX LEE

Von 8 bis 11 Uhr wollen die S-Bahn-Lokführer heute wieder für bessere Löhne streiken. Doch selbst wenn sich die Gewerkschaft der Lokführer und Bahnchef Hartmut Mehdorn mal auf einen Tarifvertrag einigen sollten – für Fahrgäste der S-Bahn dürfte das Ungemach weitergehen: Wegen der Vielzahl krankgemeldeter Lokführer musste der Ferienfahrplan nicht nur bereits eine Woche vor den Schulferien eingeführt werden. Nun droht die geringe Zugfolge bis in den Herbst zu gelten. „Wir haben eine Reihe von Hinweisen, dass der Ferienfahrplan über die Ferien hinaus gelten wird“, sagt Christfried Tschepe, Sprecher des Fahrgastverbandes Igeb.

Zwei Dinge haben Tschepe misstrauisch gemacht: Der Beginn des Ferienfahrplans wird genannt, aber kein Ende. Zudem habe die Bahn gerade zu den Stoßzeiten viele Fahrten reduziert, Linien verkürzt oder am Wochenende ganz gestrichen. Betroffen sind etwa die S 85 zwischen Waidmannslust und Grünau und die S 25, die den Südwesten mit der City verbindet. „Die Reduzierung geht weit über den sonst üblichem Umfang hinaus“, sagt Tschepe. Das sei „absolut unakzeptabel“.

Seit Wochen verzeichnet die S-Bahn bei ihren Mitarbeitern einen hohen Krankenstand. Teilweise habe die Quote bei mehr als 10 Prozent gelegen, bestätigte S-Bahn-Sprecher Gisbert Gahler. Normal sei eine Krankenquote zwischen 3 und 4 Prozent. Das Unternehmen reagierte mit dem Notfahrplan und reduzierte sein Angebot. Sechs der insgesamt fünfzehn Linien in der Stadt waren betroffen. Vor allem an den Wochenenden waren weniger Züge im Einsatz. Nun sei der Krankenstand aber wieder gesunken.

Dennoch sagte Gahler nicht, wie der Fahrplan nach den Sommerferien aussehen wird. Er gehe zwar davon aus, dass entsprechende Vereinbarungen mit dem Senat eingehalten werden, einen Beschluss werde die S-Bahn-Leitung aber erst in der kommenden Woche fällen.

Viele Beobachter sind sich einig, dass der hohe Krankenstand mit den Ende Mai eingeführten streikneuen Dienstplänen zu tun hat. Tschepe bezeichnete es als eine Mischung aus „stillem Protest und tatsächlicher Überarbeitung“. Vor allem die Fahrer der S-Bahnen mussten sich gegen verschlechterte Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen. Nicht nur dass der Wohnort des Fahrzeugführers im Dienstplan nicht mehr berücksichtigt wurde, die längere Anreise wurde auch nicht mehr zur Dienstzeit gerechnet. Inzwischen gelten wieder die alten Pläne.

Das Personalproblem bleibt dennoch. Denn die S-Bahn-Leitung hält an ihren Plänen fest, die Zahl der Triebfahrzeugführer von über 1.000 zu Jahresbeginn auf unter 900 zu senken. Der Senat ist alarmiert. „Wenn die Bahn weniger fährt, werden wir auch weniger zahlen“, warnt Manuela Damianakis, Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Derzeit bezuschusst das Land den Betrieb der S-Bahn jährlich mit 225 Millionen Euro.