: Arbeiter haben Friedenspflicht
Das Streikrecht ist im Grundgesetz garantiert, aber nicht jeder Streik ist zulässig. So haben die Lokführer kein Recht, ihre Arbeit niederzulegen, urteilen Mainzer Richter
FREIBURG taz ■ Sechs Fragen und Antworten zum Streik.
Warum war das Streikrecht schon immer umkämpft?
Arbeitnehmer sind aufgrund ihres Arbeitsvertrags verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Im Gegenzug werden sie vom Arbeitgeber bezahlt. Ein Arbeitnehmer kann also nicht einfach zu Hause bleiben, um den Arbeitgeber unter Druck zu setzen. Früher galten Streiks generell als illegal, heute sind sie unter Umständen zulässig. Das Grundgesetz erkennt an, dass Löhne und Arbeitsbedingungen vor allem durch Tarifverträge festgelegt werden, bei denen Gewerkschaften und Arbeitgeber zu Kampfmaßnahmen wie Streik und Aussperrung greifen dürfen.
Welche Streiks sind konkret vom Grundgesetz geschützt?
Artikel 9 des Grundgesetzes schützt die Freiheit von Vereinigungen. Gewerkschaften und Arbeitgeber werden dort besonders erwähnt. Geschützt sind alle Tätigkeiten, die der „Wahrung und Förderung der Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen“ dienen. Geschützt sind damit auch Streiks, die auf den Abschluss eines Tarifvertrags abzielen. Auch bloße Warnstreiks sind geschützt, wenn sie verhältnismäßig sind. Ein Warnstreik ist eine kurzfristige Arbeitsniederlegung, die ohne Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern möglich ist.
Welche Streiks sind vom Grundgesetz nicht geschützt?
Nicht geschützt sind wilde Streiks, die nicht von einer Gewerkschaft getragen werden. Auch politische Streiks, die auf Bundestag oder Bundesregierung (statt auf Arbeitgeber) einwirken wollen, sind unzulässig.
Warum hat das Arbeitsgericht Mainz die Warnstreiks der Lokomotivführer für unzulässig erklärt?
Nach Ansicht der Richter haben sie gegen die Friedenspflicht verstoßen. Streiks zur Erzwingung eines neuen Tarifvertrags sind nämlich erst zulässig, wenn der alte Tarifvertrag ausgelaufen ist. Weil die Lokomotivführer einen eigenen Tarifvertrag erstreiken wollen, der teilweise bestehende Tarifverträge ablösen soll, haben sie hierbei die Friedenspflicht verletzt. Konkret geht es unter anderem um Tarifverträge zum Job-Ticket für Bahn-Mitarbeiter und zur Erfolgsbeteiligung.
Wer kann gegen die Gewerkschaft klagen?
Zumindest die bestreikten Unternehmen, also Deutsche Bahn AG, die DB Regio AG und der Gütertransporteur Railion. Nach Ansicht der Mainzer Richter kann auch der Arbeitgeberverband der Mobilitätsdienstleister klagen, weil er den Tarifvertrag abschließen soll.
Was droht den Gewerkschaften, wenn sie gegen die Entscheidung verstoßen?
Der Lokomotivführer-Gewerkschaft wird ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von sechs Monaten gegen den Vorsitzenden angedroht. Zudem könnte die Bahn AG den Streikenden Lohn kürzen und von der Gewerkschaft Schadensersatz für Verspätungen verlangen. CHRISTIAN RATH