Klassenkampf, unten und oben

Nach einer sehr allgemeinen Regierungserklärung von Jens Böhrnsen prallten grobe Klötze aufeinander. Für die geplante konkrete Politik gab es nur wenige Hinweise

von Klaus Wolschner

Der neue Senat will, sagte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) gestern in seiner Regierungserklärung, das „Auseinanderdriften unserer Gesellschaft stoppen“. Die „soziale Koppelung von Bildungschancen und sozialer Herkunft überwinden“. Die „finanziellen Lebensgrundlagen Bremens sichern“. Dafür sorgen, dass wirtschaftliches Wachstum sich auch in Arbeitsplätzen niederschlage. „Wir müssen es schaffen, dass alle, die arbeiten wollen, auch arbeiten können.“

Das waren große Ziele, die da auf die kleinen Bremer Schultern gepackt wurden. Und Thomas Röwekamp, seit drei Wochen Sprecher der CDU-Opposition, war offenbar stark verwirrt von dem moralischen Impetus der Böhrnsen-Erklärung. „Parolen des Klassenkampfes“ seien das, die Böhrnsen da verbreitet habe. Er wolle seine Politik „an den so genannten benachteiligten Menschen ausrichten“. Aber es sei „fatal, sich auf die zu konzentrieren, die sich selbst für benachteiligt halten“. Kein Wunder, dass Bremen beim Thema Mindestlohn im Bundesrat allein da stehe mit jenem Bundesland, in dem die Linkspartei mitregiere – Berlin.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Matthias Güldner, fragte scharf zurück, wen Röwekamp denn mit den „so genannten Benachteiligten“ meine. Etwa die Kinder, die montags hungrig in Kita oder Schule auftauchten? Wer von „so genannten Benachteiligten“ rede, der rechtfertige damit Klassenkampf von oben. Immerhin seien in den 12 Jahren der großen Koalition trotz der großen Investitions-Zuschüsse 27.000 versicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen. Der neue Senat wolle bei seiner Wirtschaftsförderung darauf achten, dass mehr Arbeitsplätze entstünden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Sieling sah die CDU gar „am Rande der Gesellschaft“ – weit weg von der Mitte.

Bei den leiseren Tönen gab es in der Bürgerschaftsdebatte um die Regierungserklärung einige interessante Hinweise. Böhrnsen bekannte sich einmal mehr zur staatlichen Verantwortung für die kommunalen Kliniken. Wenn der Neubau des Klinikums Mitte nicht über private Investoren möglich sei, dann werde Bremen den Umbau finanzieren, sagte er. Und an die Adresse der drei anderen Kliniken: „Es wird kein Standort auf Kosten den anderen saniert. Dieses Versprechen kann ich ihnen geben.“

Zur Bildungspolitik sagte Sieling, Ziel des für das Frühjahr 2008 geplanten Schulentwicklungskonzeptes sei es, einen Weg zu formulieren, an dessen Ende eine „Gemeinsame Schule von Klasse 1 bis 9 schrittweise umgesetzt“ werden könne. Der Elternwille sei dabei wichtig – aber die die Elternvertreterin der Gymnasien, Imke Kuhlmann, habe sich auch für mehr gemeinsames Lernen ausgesprochen.

Der Vertreter der Linkspartei, Klaus-Rainer Rupp, bezweifelte, dass die Verfassungsklage in Karlsruhe Bremens Finanzgrundlagen verbessern könnte. Er fürchte, so Rupp, dass Bremen da entweder gar nichts bekomme – oder ganz harte Auflage für kleine Verbesserungen. Bremens Finanzplanung basiere auf der Annahme einer Einnahmesteigerung von jährlich vier Prozent. Die Sanierungs-Szenarien von 1993 und 1999 enthielten auch solche Annahmen – und scheiterten daran. „Welche Form von Schulden wollen wir unseren Kindern hinterlassen“, das sei die Frage, so Rupp. Und wenn die Alternative eine „zerstörte Stadtgesellschaft“ sei, dann sei er eher für ein oder zwei Milliarden mehr auf dem Schuldenkonto.