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Archiv-Artikel

Ein pubertierendes Triumvirat

„Prinzessinnenbad“ von Bettina Blümer erzählt von drei fünfzehnjährigen Mädchen in Kreuzberg

Mit welcher Art von Prinzessinnen wir es in diesem Film zu tun haben, macht gleich der erste gesprochene Satz deutlich: „Halt’s Maul und lass dir erst mal’ nen Penis wachsen“, schnauzt da die 15-jährige Klara im Kreuzberger Prinzenbad einen gleichaltrigen Jungen an, der es wagt, sich ihrem im Bikini auf einem Handtuch residierenden Hofstaat zu nähern. Zusammen mit ihren Freundinnen Mina und Tanuscha bildet sie ein pubertierendes Triumvirat, vor dem einem schon mal Angst und Bange werden kann.

Wer ihnen in die Quere kommt wird angeraunzt, und wenn sie abends mit ihren Handys chatten, dann offensichtlich nur, um die Männer am anderen Ende der Leitung möglichst fantasievoll zu beschimpfen. Ein wenig inszenieren die drei sich dabei natürlich auch selber für die Kamera von Bettina Blümer, die ihnen im heißen Sommer des letzten Jahres einige Wochen lang folgte. Doch diesen Eindruck hat man nur in den ersten paar Minuten des Films, denn schon sehr bald scheinen die drei so viel Vertrauen zu der Filmemacherin entwickelt zu haben, dass sie die Posen der abgebrühten Girlies zwar nie ganz ablegten, doch auch die Verletzlichkeit und Unsicherheit zeigen konnten, die sie mit ihren frechen Sprüchen zu kaschieren versuchten. Alle drei wuchsen mit abwesenden Vätern und überforderten allein erziehenden Müttern auf. Eine von diesen bringt mit dem Satz „Kein Heroin und nicht schwanger werden!“ ihr Erziehungskonzept auf einen deprimierend niedrig angelegten Punkt.

Aber zum Glück hat Bettina Blümer keine Sozialreportage über die pädagogischen Defizite von Patchwork-Familien gedreht, dazu sind ihre drei Protagonistinnen auch viel zu wuselig, schlau und lebenshungrig. Der Blickpunkt des Film bleibt immer auf Augenhöhe der drei Mädchen, und so wirkt er nie voyeuristisch oder denunzierend. Und weil die Kamera so behutsam hinsehen kann, spürt man zum Beispiel sehr genau, wie unwohl sich Mina am heimischen Frühstückstisch fühlt, weil sie den neuen jamaikanischen Freund ihrer Mutter nicht mag. Klara erzählt zwar mit trotzigem Stolz, sie haben „einer alten Frau 2.000 Euro geklaut“, aber dann leistet sie auch brav ihre Sozialstunden dafür ab. Tanuscha hat die größte Schnauze von allen, aber wenn sie mit ihrem kleinen Stiefbruder spielt, wird auch sie für einige Momente zu einem zärtlichen, verspielten Kind.

Während die nachdenkliche Mina für ihren Mittelschulabschluss büffelt, geht Klara eher sporadisch zur „Schwänzerschule“ und macht sich über ihre späteren Berufsaussichten keine Illusionen. „Pornostar oder Tierpflegerin“ nennt sie als ihre Karriereziele – und muss selber dabei lachen. Auch sonst ist „Prinzessinnenbad“ oft komisch, und zwar mit einem Humor, der immer von den Protagonistinnen selber kommt. Dabei ist der Witz manchmal bitter.

So etwa, wenn Klara von einer Sauftour erzählt, bei der es einer ihrer Freundinnen so schlecht ging, dass sie den Notdienst anrief, und dann die Antwort bekam: „Wenn se kotzt, geht’s ihr doch gut!“ Wirklich dreckig, aggressiv oder düster wird es jedoch nie. Der Film beschönigt zwar nichts, zeigt aber Kreuzberg aus der Mädchenperspektive. Mit seiner Videoclip-Ästhetik und den manchmal durchaus romantisch verklärenden Bildern vom sommerlichen Berlin bleibt Bettina Blüme ihren Protagonistinnen auch stilistisch nahe. Dies ist wohl der Film, denn sie selber gerne über sich sehen, und irgendwann klingt dann selbst ihr Schlachtruf „Du Muschi!“ wie eine freundliche Neckerei. Wilfried Hippen