piwik no script img

Archiv-Artikel

OFF-KINO Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Einen der interessantesten Filme der diesjährigen Berlinale zeigt das Arsenal jetzt im Rahmen der „Maple Movies“ mit vornehmlich aktuellen Produktionen aus Kanada: Mit „Brand Upon the Brain“ (2006) setzt Regisseur Guy Maddin die Reihe seiner auf Super-8-Material gefilmten und in Stummfilmmanier mit Zwischentiteln versehenen Werke fort. Diesmal heißt die Hauptfigur Guy, und folglich geht es ein Stück weit auch um des Meisters eigene Jugenderinnerungen, bei denen eine Furcht erregende Mutter und erste sexuelle Verwirrungen die tragenden Rollen spielen. Verbunden ist dies mit einer Story um die sehr seltsamen Vorgänge auf einer einsamen Insel, die Nachforschungen jugendlicher Detektive nach sich ziehen, und einer Ästhetik, die sich stark an expressionistischen Horrorfilmen orientiert. Neben den Zwischentiteln führt Isabella Rossellini als Erzählerin aus dem Off durch den Film. Trotz seines Spiels mit den Strukturen von Genreserials sowie dem Rückgriff auf eine Ästhetik längst vergangener Tage schuf Maddin jedoch kein überflüssiges Zitatkino, sondern einen ebenso persönlichen wie hochgradig originellen Film, der mit seinen geringen Produktionskosten (Maddin sprach bei der Berlinale von etwa 50.000 Dollar) so manche Superproduktion ganz schön alt aussehen lässt.

Berüchtigt ist Veit Harlan ja vor allem durch seine von Nazi-Ideologie geprägten Propagandafilme wie „Jud Süß“ und „Kolberg“ – nur stempelt ihn seine moralische Fragwürdigkeit natürlich nicht automatisch zu einem schlechten oder uninteressanten Regisseur. Was ihn in seinen Filmen etwa zeitlebens bewegte, war der Gegensatz zwischen Stadt und Land: Immer wieder ersann oder bearbeitete Harlan Geschichten um lebenslustige und unstete Figuren, die aus der Enge ihrer ländlichen Heimat auszubrechen versuchen – und dabei meist scheitern. So auch im Melodrama „Immensee“ (1943), einer modernisierten freien Bearbeitung der Novelle von Theodor Storm: Den Komponisten Reinhart (Carl Raddatz) zieht es in die weite Welt, doch seine Jugendliebe Elisabeth (Kristina Söderbaum) treibt dies nach langem Warten schließlich einem bodenständigen Gutsbesitzer in die Arme. Trotzdem ist Reinhart allemal interessanter als der langweilige Konkurrent. Dem Gegensatz von Stadt und Land entspricht in „Immensee“ der Kontrast zwischen artifiziellen Interieurs und der Natur, für die sich Harlan stets begeistern konnte, und in der seine Protagonisten meist kurze Momente unbeschwerten Glücks erleben.

Der von Michael Caine verkörperte Geheimagent Harry Palmer war als Gegensatz zum Superspion James Bond konzipiert: Jetset-Leben und Superwaffen spielten in den Geschichten um den kurzsichtigen Londoner mit Cockney-Dialekt keine Rolle, dafür kocht der Agent fürs Leben gern und missachtet in der Regel schon mal aus Prinzip die Anweisungen seiner Vorgesetzten. In Sidney Furies düsterem Thriller „The Ipcress File“ (1965) wird Palmer in eine verwickelte Affäre verstrickt, mit der ein Doppelagent in der eigenen „Firma“ entlarvt werden soll. LARS PENNING

„Brand Upon The Brain“ (OmU), 14.–15. 7. im Arsenal

„Immensee“, 18. 7. in den Eva-Lichtspielen

„Ipcress – Streng geheim“, 17. 7. im Freiluftkino Schwarzenberg