: Bahnminister zieht die Notbremse
Nachdem die Kritik an der Vergabe des Streckennetzes Ost an die Deutsche Bahn nicht abreißen wollte, lenkt der Kieler Wirtschaftsminister Dietrich Austermann ein: Der unterlegene Bieter Veolia darf jetzt ein neues Angebot abgeben
von DANIEL WIESE
Der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann (CDU), rollt die Vergabe des so genannten „Streckennetzes Ost“ neu auf. Sowohl die Deutsche Bahn, die in der ersten Runde den Zuschlag erhielt, als auch der unterlegene Anbieter Veolia haben nun zehn Tage Zeit, ein neues Angebot vorzulegen. Das teilte das Wirtschaftsministerium in Kiel mit.
Damit beendete Austermann ein monatelanges Gezerre um die Vergabe des größten deutschen Teilnetzes – es geht immerhin um 370 Kilometer Bahnstrecke von und nach Lübeck. Die Deutsche Bahn hatte den Zuschlag bekommen, nachdem sie in ihrem ursprünglichen Angebot einen „Rechenfehler“ korrigieren durfte – Wochen nach Ablauf der Angebotsfrist. Der unterlegene Anbieter Veolia, der in Schleswig-Holstein auch die Nord-Ostsee-Bahn betreibt, reichte daraufhin Klage bei der Vergabekammer ein.
Die Grünen-Abgeordnete Monika Heinold warf Austermann vor, er habe den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Der „Rechenfehler“ sei nur vorgeschoben gewesen, in Wirklichkeit habe die Deutsche Bahn ihr Angebot nachträglich verbessert. Der Wirtschaftsminister hielt dagegen, dass das Angebot von Veolia von vornherein nicht „annahmefähig“ gewesen sei. „Es gab bei Veolia Probleme mit der Länge der Waggons“, bestätigt der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Hans-Jörn Arp. In den Bahnhof Oldesloe etwa würden die Veolia-Züge nicht hineinpassen.
Unklar bleibt allerdings, warum ein Anbieter sein Angebot korrigieren konnte, der andere aber nicht. Die Landtags-Grünen vermuten einen Deal zwischen „Männerfreunden“: Minister Austermann habe Bahnchef Hartmut Mehdorn den Zuschlag für die Strecke versprochen. Im Gegenzug habe Mehdorn den überfälligen Ausbau des schleswig-holsteinischen Streckennetzes in Aussicht gestellt.
Neue Nahrung erhielten die Gerüchte über einen Deal durch einen Artikel im Hamburger Abendblatt, in dem ein „Vertrauter“ Austermanns mit der Aussage zitiert wurde, die Deutsche Bahn sei „gezielt informiert“ worden, bevor sie ihren „Rechenfehler“ nachgebessert habe. Die Information sei allerdings nicht von Austermann selbst gekommen.
Doch damit nicht genug. Wenig später berichteten die Blätter des schleswig-holsteinischen Zeitungsverlages (SHZ), dass bei dem ursprünglichen Angebot „Veolia die Nase vorn“ gehabt habe. Erst nach der Korrektur des „Rechenfehlers“ der Deutschen Bahn, bei dem es um einige Millionen gegangen sei, habe sich das Verhältnis umgekehrt. Bereits zuvor habe das Wirtschaftsministerium mit Veolia höchstens „fragmentarisch“ verhandelt.
Während der Wirtschaftsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags Austermanns Entscheidung für die Deutsche Bahn durchwinkte, war dem Finanzausschuss die Sache offenbar zu heiß. Er vertagte sich, obwohl die Koalitionsparteien CDU und SPD dort über eine komfortable Mehrheit verfügen.
Auch wenn Austermann bereits am Mittwoch klein beigegeben hatte, distanzierte sich gestern die schleswig-holsteinische SPD von dem CDU-Minister. Man müsse ja nicht gleich wie die Opposition von „Mauscheleien“ sprechen, „aber Herr Austermann muss sich fragen lassen, für wen er eigentlich Politik macht“, erklärte SPD-Landesgeschäftsführer Christian Kröning. „In der Summe der Vorfälle“ entstehe der „Eindruck, als richte der Minister seine politische Strategie nach den Interessen einzelner Konzerne aus“.
Die Forderung der Oppositionsfraktionen, Mitarbeiter seines Ministeriums zu den Vorfällen befragen zu dürfen, hatte Austermann schon im Juni abgelehnt. Er habe seine Untergebenen bereits selbst befragt. „Für mich gilt immer noch das Wort eines Menschen“, sagte Austermann. Dienstliche Erklärungen seien überflüssig.